Er hätte Trump ins Gesicht schlagen können – ein Schlag für die Würde, für drei Jahre des Überlebens im Krieg, für all jene, die auf ihn hofften und deren Schicksal an seiner Standhaftigkeit hängt. Aber er tat es nicht. Stattdessen senkte er den Kopf und zog sich zurück – wer weiß –, vielleicht um sein politisches Testament zu verfassen und bald als bronzene Statue auf dem Majdan aufzusteigen, ein Symbol der Standhaftigkeit oder der verpassten Gelegenheiten. Und auch unsere EU hätte wohl kaum Einwände, solange die Tauben in Frieden darauf schnell ruhen dürfen.

Trump, der Imperator

Und hier sind wir nun: Ein Mann, dessen politische Strategie sich irgendwie aus den Witzen eines drittklassigen Stand-up-Comedians speist, thront auf dem mächtigsten Stuhl der Welt.

Trump und seine „Prätorianer“ – JD Vance und Co. – haben Selenskyj nicht zu Gesprächen, sondern zur öffentlichen Kreuzigung eingeladen. Es war kein diplomatisches Treffen, es war eine moderne Version des römischen Zirkus‘, mit Trump als Kaiser, der mit erhobenem Daumen entscheidet, ob der besiegte Gladiator leben oder sterben darf. Und die Menge jubelt…

Die EU, nicht nur die Ukraine, steht vor einem Dilemma: Empörung über die öffentliche Demütigung Selenskyjs durch Trump und Vance oder panische Bemühungen, die brüchige Allianz mit den USA zu retten. Die eigentliche Katastrophe ist nicht die Demütigung, sondern die bittere Wahrheit, die sie offenbart: Die Ukraine kann ihr staatliches Überleben ohne die USA nicht sichern – und Washington weiß das nur zu gut. Diese Abhängigkeit ist längst kein “Bündnis” mehr, sondern ein Fesseln. Doch nicht nur Kyjiw steht unter diesem Damoklesschwert. Europas Sicherheit wankt ebenso.

Putin, der lachende Zuschauer

Wladimir sitzt in seinem Kreml und lacht sich ins Fäustchen. Man stelle sich vor: er, der in den westlichen Medien als Monster gezeichnet wird, wirkt plötzlich fast gesittet im Vergleich zu dem tobenden Sheriff in Washington. Man sagt, Wladimir habe Sergej gebeten, ein Telegramm der Dankbarkeit an diesen Mann zu schicken, der seine Arbeit für ihn erledigt.

Wenn Geldgier Macht wird sinkt der Diskurs auf das Niveau eines betrunkenen Bar-Streits. Mobbing, Häme, öffentliche Bloßstellung – ist das die Sprache des neuen US-amerikanischen Imperiums, einst selbsternannter Hüter der freien Welt?

Schande über uns

Die Schande des Abends liegt aber bei Selenskyj, der sich der Tyrannei stellte, aber keine richtige Antwort fand. Er hätte Geschichte schreiben können. Einen Stuhl umgeworfen, eine Tür laut zugeschlagen, eine explosive Rede gehalten – irgendetwas! Aber stattdessen wurde der Europäer nur gedemütigt.

Früher nannten wir es „Diktatur”, wenn ein Staatschef seine Feinde öffentlich herabwürdigte. Heute, eine… „nationale Interessenvertretung“. Früher sprachen wir von Würde, von Diplomatie, von Staatskunst. Heute scheint diese internationale Politik nicht mehr als ein Twitter-Disput auf Steroiden zu sein.

Und während Trump wahrscheinlich triumphiert, Selenskyj nach Hause zurückkehrt, setzt Europa bedeutungslose Solidaritäts-Tweets.

Der Freitag TV-Abend gehörte Putin. Die Welt gehört noch Trump. Die Schande gehört Europa, uns allen und ist verdient.