Ralph Schöllhammer: Die kulturelle Dimension des Krieges gegen Energie
Kohle, Stahl, Gas, Energie, Düngemittel – zugegeben, auf den ersten Blick klingen diese Themen nicht gerade aufregend. Würde es sie jedoch nicht geben, würde das Leben an das wir uns gewöhnt haben sofort zum Stilstand kommen.
Wann haben Sie zum letzten Mal verzweifelt eine Steckdose gesucht, weil Ihr Akku nahezu am Ende war? Wie lange reicht Ihre Geduld, wenn das Internet mal wieder langsam wird, oder etwa ganz ausfällt? Die Energiefrage ist längst keine technische Nebensächlichkeit mehr, sondern der Schauplatz eines fundamentalen kulturellen Konflikts, in dem die politische Linke der modernen Zivilisation in allen Ihren Facetten den Krieg erklärt hat.
Warum die Linke immer einen Schritt voraus ist
Um besser zu verstehen, womit wir es zu tun haben, lohnt sich ein Blick auf Greta Thunberg. Ihre Karriere liefert ein aufschlussreiches Beispiel für die scheinbare Widersprüchlichkeit und zugleich die innere Konsequenz linker Protestkultur. Innerhalb weniger Wochen wurde sie bei einer anti-kapitalistischen Protestaktion an einer Kohlemine verhaftet, dann bei einer anti-israelischen Demonstration, und schließlich – besonders bemerkenswert – bei einem Protest gegen Windkraftanlagen. Von Anti-Kapitalismus über Umweltschutz zu Anti-Israel bis hin zu Anti-Umweltschutz: Sie deckt tatsächlich alle Bereiche ab. Und es macht ja Sinn: Wer unsere Zivilisation in ein vormodernes Zeitalter zurückwerfen möchte, hat auch kein Problem sich den Werten einer vormodernen Religion einzulassen. Steinigungen und eine Steinzeit Wirtschaft, das ist die Thunberg Vision.
Diese Vielseitigkeit ist jedoch nicht notwendigerweise ein Zeichen für Schwäche, sondern symptomatisch für eine Strategie, welche von Konservativen oftmals nur schwer verstanden wird. Im Energie-, Wirtschafts-, Kultur- und Politiksektor kämpfen Konservative oft einzelne Schlachten, während die Linke immer einen umfassenden ideologischen Krieg führt. Sie versucht nicht, kleine Bereiche zu gewinnen oder einzelne gesetzgeberische Siege zu erringen. Nigel Farage hat es treffend formuliert: Wenn wir einen Sieg erringen, haben sie bereits 50 andere Wege zum Erfolg vorbereitet. Diese strategische Asymmetrie müssen wir endlich verstehen.
Der entscheidende Unterschied liegt in der ideologischen Konsequenz: Viele auf der linken Seite haben kein Problem damit, sich mit fragwürdigen politischen und kulturellen Akteuren jeder Art zu verbünden, weil sie überzeugt sind, dass der Zweck die Mittel heiligt. Konservative tun dies traditionell nicht – doch es gibt Momente, in denen wir uns genau diese strategische Flexibilität abschauen sollten.
Die unsichtbare Macht der Kultur
Was aber bedeutet Kultur in diesem Zusammenhang wirklich? Eine wahre Kultur zeigt sich vor allem in den Dingen, die wir tun, ohne uns dessen bewusst zu sein. Sie ist wie das Wasser, in dem Goldfische schwimmen – mit hoffentlich etwas längerem Gedächtnis. Wir nehmen kulturelle Prägungen einfach auf, wir bemerken sie kaum noch, und genau darin liegt ihre Macht.
Was in der Energiekrise der letzten Jahre besonders auffällt, ist das erschreckende Ausmaß, in dem wir genau den Dingen den Krieg erklärt haben, die die moderne Welt überhaupt erst möglich machen. Wir haben der Landwirtschaft den Krieg erklärt, dem Dünger, der Energie, der Industrie – den fundamentalen Säulen unserer Zivilisation.
Wie Pop-Kultur unsere Wahrnehmung prägt
Diese kulturelle Prägung wird nirgendwo deutlicher als in der Pop-Kultur. Ein genauer Blick auf Mainstream-Medien, Kunst und Kino der letzten Jahre zeigt, wie tief diese anti-industrielle Haltung in unserem kollektiven Bewusstsein verankert ist.
Nehmen wir Der Herr der Ringe: Die Orks waren die einzigen Figuren mit Industrie. Sie betrieben Massenproduktion, fällten Wälder, schmolzen Eisen, bauten Bergwerke – all die Dinge, die eine moderne Welt möglich machen. So merkwürdig es auf den ersten Blick erscheinen mag: In den letzten zwei Jahren haben wir beobachten können, dass Russland und China trotz eines im Vergleich zum vereinten Westen geringeren BIP in kriegerischen Auseinandersetzungen überraschend effektiv sind. Der Grund ist einfach: Sie verfügen über Energie und Industrie. Und wenn es zum Ernstfall kommt, sind genau das die Dinge, die wirklich zählen.
So faszinierend die Elben und Menschen in Der Herr der Ringe auch sein mögen – in der realen Welt hätten die Orks den Sieg davongetragen. Bekanntlich werden die Orks im Buch nur deshalb besiegt, weil sprechende Bäume gegen sie in den Kampf ziehen. Das klingt kaum realistischer als die Pläne der EU mit ihrer grünen Agenda – wobei beides nicht völlig unähnlich ist.
Ein ähnliches Muster zeigt sich in Avatar: Die Protagonisten sind blau und sprechen vornehmes Englisch, ihre Gegner dagegen erinnern verdächtig an republikanische MAGA-Unterstützer aus Alabama. Und wofür stehen die Bösen in diesem Film? Sie repräsentieren ein Bergbauunternehmen. Ein Bergbauunternehmen – das klingt zunächst wirklich furchtbar. Doch der Bergbau ist ungefähr so alt wie die Landwirtschaft selbst. Niemand von uns wäre hier, wenn es den Bergbau nicht gäbe. Die Zivilisation kann schlichtweg nur existieren, wenn wir ihre Ressourcen der Erde abringen. So war es schon immer.
Beide Filme transportieren die gleiche gefährliche Illusion: dass die wahre Natur des Menschen darin besteht, in perfekter Harmonie mit der Natur zu leben. Doch das Gegenteil ist wahr. Die Natur will uns töten – immer und überall: Hitze, Kälte, Krankheiten, wilde Tiere, Nahrungsmangel, Wasserknappheit. Alleine die Tatsache, dass wir – zeitweise und geographisch – die Natur beherrschen und kontrollieren können, ist der einzige Grund dafür, dass wir als Spezies noch nicht ausgestorben sind.
Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass überall Bergwerke, Landwirtschaft und Stahlhütten stehen sollten. Doch es erklärt ein bemerkenswertes Phänomen: Warum kümmern sich ausgerechnet die am stärksten industrialisierten Gesellschaften auch am besten um die Umwelt? Der Grund ist einfach: Man muss einen kleinen Teil der Umwelt kontrolliert nutzen, um den Rest effektiv schützen zu können.
Das Star-Wars-Paradoxon
Selbst Star Wars liefert eine aufschlussreiche Perspektive auf dieses kulturelle Dilemma. Ist nicht die Zivilisation, die den Todesstern gebaut hat, technologisch am faszinierendsten? Der militärische Einsatz mag äußerst problematisch sein, aber die Technologie dahinter ist absolut erstaunlich. Disney scheint das allerdings anders zu sehen – vermutlich sehen wir bald Luke Skywalker und Han Solo in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, während Chewbacca auf seine Geschlechtsumwandlung wartet und Darth Vader samt Sturmtruppen ein DEI-Training absolvieren, in dem sie lernen, dass Begriffe wie “Galaxien”, “rote Zwerge”, “schwarze Löcher” und “weiße Riesen” problematische Konnotationen haben und nicht mehr verwendet werden sollten.
Der Unterschied zwischen Amt und Macht
Diese kulturelle Dominanz der linken führt zu einem fundamentalen politischen Problem der rechten: dem Unterschied zwischen dem Innehaben eines Amtes und dem tatsächlichen Besitz von Macht. Angeblich wird das Europäische Parlament von konservativen Parteien dominiert. Aber wo sind all diese Konservativen wirklich? Sie sind zwar im Amt, aber sind sie wirklich an der Macht? Die unbequeme Wahrheit lautet: Gibt es westlich der Donau überhaupt irgendeinen Ort, an dem rechte konservative Bewegungen tatsächlich an der Macht und nicht nur – wenn überhaupt – im Amt sind? Ich habe ja den Verdacht, dass die meisten Konservativen nicht mehr wirklich konservativ sind. Was auch immer man von der Linken hält, von den Absurditäten des linken Umweltschutzes, vom Green Deal, von der Anti-Atom-Haltung – sie glauben wirklich daran. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Sie verfolgen eine kohärente Ideologie, die sie mit aller Konsequenz durchsetzen wollen. Die entscheidende Frage lautet daher: Haben die Konservativen etwas vergleichbares? Haben sie ein klares Programm, eine überzeugende Idee, die dem entgegengesetzt werden kann? Nein. Wenn überhaupt, kommt so etwas nur von den Rechtspopulisten, die alleine aus diesem Grund eine Chance zum Regieren verdienen würden.
Zugegeben, es gibt manchmal auch auf der rechten Seite romantische Vorstellungen davon, dass das Leben vor der Moderne einfacher und authentischer gewesen sei, dass das Leben vor der Industrialisierung naturverbundener war. Das ist eine durchaus legitime philosophische Position – aber die überwältigende Mehrheit der Menschen sieht das grundlegend anders. Die meisten Menschen wollen die Annehmlichkeiten des modernen Lebens nicht aufgeben.
Das haben wir in den letzten Wochen und Monaten in Deutschland unmissverständlich gesehen: Was hat konservative und rechte Parteien gestärkt? Die Tatsache, dass die Regierung den Menschen vorschreiben wollte, welche Art von Heizsystem sie in ihren eigenen vier Wänden verwenden müssen. Was hat die Kernenergie wieder prominent in den öffentlichen Diskurs gebracht? Die simple Erkenntnis der Menschen, dass exorbitant hohe Energierechnungen ihr Leben massiv beeinträchtigen.
Politik muss an der Lebenswirklichkeit ansetzen
Diese Beispiele führen zu einer grundlegenden Erkenntnis: Welche Ideologie auch immer vertreten wird, welche Ideen auch immer präsentiert werden – sie müssen zwingend an die konkreten Erfahrungen der alltäglichen Menschen anknüpfen. Diese Menschen haben schlichtweg nicht die Zeit und nicht die mentale Kapazität, sich auf hochphilosophische Gespräche zu konzentrieren. Und das sollten sie auch nicht müssen, denn es sind genau diese Menschen, die mit ihrer täglichen Arbeit alles am Laufen halten.
Daraus ergibt sich ein konkreter, umsetzbarer Vorschlag: Es gibt ständig mediale Aufregung über “Drag Queen Story Hours” und Transgender-Themen in Schulen. Aber warum gibt es niemals “Minenarbeiter-Erzählstunden” in Schulen? Warum besuchen Schulklassen keine Raffinieren um zu sehen was die moderne Welt erst ermöglicht? Warum gibt es keine systematischen Programme, die Kinder für ein paar Tage auf Bauernhöfe schicken, oder Bergwerksbesuche organisieren? Diese Orte sind erstaunliche Zeugnisse menschlichen Erfindungsgeistes und menschlicher Technologie. Sie sind objektiv großartig. Wer jemals ein modernes Bergwerk oder eine Ölraffinerie besucht hat, verlässt es als veränderter Mensch. Es ist absolut beeindruckend zu erleben, was Menschen mit Intelligenz, Mut und harter Arbeit leisten können.
Doch wir erzählen unseren Kindern diese Geschichten nicht mehr. Wir setzen sie diesen prägenden Erfahrungen nicht mehr aus. Wir vermitteln ihnen nicht mehr den Stolz auf das, was menschlicher Erfindungsgeist erschaffen hat. Genau das müssen wir dringend ändern.
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