Richard Schmitt: Was, wenn im Kreml alles so geplant war?
Unterschätze niemals deinen Gegner – das ist kein Zitat von Sun Tsu, Paulo Coelho oder US-General George S. Patton. Das ist schlicht eine Lebenserfahrung. Menschliches Standardwissen, über die Jahrhunderte aus Konflikten erlernt. Ein Kommentar von Anfang April mit trauriger Aktualität.
Seit 24. Februar 2022, seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine ist diese grundsätzliche Überlebenshilfe ausgeblendet: In Brüssel, Washington, Berlin, London und auch in Wien wird der Präsident der Russischen Föderation (144,5 Millionen Einwohner) als „Irrer ohne Plan“, als „krebskranker Despot kurz vor einer Niederlage“ gesehen. Die „Welt“ veröffentlichte sogar, dass Wladimir Wladimirowitsch Putin (69) „Waffen und Soldaten ausgehen“.
Natürlich: Ein Staatschef, der alle Zeit der Welt hatte, mit vermutlich 200 Generälen, sowie Analysten, Wirtschaftsexperten und Geheimdienstchefs des GRU und FSB eine Invasion zu planen und alle Gegenmaßnahmen der NATO, der EU, der USA über Monate immer wieder durchzuspielen, der steht plötzlich vor einer Niederlage?
Hat Putin tatsächlich keinen größeren Plan?
Ein Staatschef mit IQ 127 – laut westlichen Nachrichtendiensten zählt Putin damit zu den 14% der klügsten Menschen – schickt also bewusst nur 150.000 Soldaten aus, um eine 44-Millionen-Einwohner-Nation zu erobern, lässt westliche Waffenhilfe zu und auch Russlands Wirtschaft vernichten. Einfach so. Ohne größeren Plan.
Etwa die massiven Waffengeschenke der NATO-Staaten an die Ukraine: Liefern wir Europäer Putin nicht eben den Kriegsgrund? Warum zerstört denn die russische Luftwaffe (772 Kampfjets und 732 Bomber) nicht längst die Nachschubrouten aus Polen und Tschechien?
Ein willkommener Vorwand um Russen zu einen
Oder die Bussi-Bussi-Besuche der EU und europäischer Staatschefs in Kiew – genau davor warnte Russlands Präsident seine Bürger: Jetzt sehen alle Russen die Abhängigkeit der Ukraine vom Westen.
Und sorgt nicht das Töten tausender russischer Soldaten für Hass in Russland auf den Westen, sorgen nicht Gräueltaten ukrainischer Soldaten an gefangenen Russen für die Bilder, die Putin braucht, um die russische Gesellschaft zu einen?
Putin dürfte die Reaktion des Westens eingeplant haben
Ein Mann, der sieben Jahre lang als KGB-Offizier (1975 bis 1982) selbst intensiv den Westen und unsere Moralvorstellungen, unsere Solidaridäts-Kultur und unsere militärische Schwäche studieren konnte, dürfte schon vor dem 24. Februar gewusst haben, wie Berlin, wie Brüssel, Washington und London reagieren würden.
Wladimir Wladimirowitsch Putin und sein Generalstab haben den Westen jetzt genau in der Situation, die geplant war: Die westlichen Staaten sind als Waffenlieferanten der Feinde Russlands enttarnt. Und sie wollen Russland mit Sanktionen in die Knie zwingen, am besten wirtschaftlich ruinieren, die Russen verarmen und hungern lassen.
In einer Rede zur Lage der Nation wird Putin sagen: „Ich habe euch gewarnt.“ Und er könnte die Mobilmachung für das bedrohte Russland befehlen.
Dann sollten wir beten.
Anmerkung: Dieser Kommentar erschien am 9. April dieses Jahres, also vor sechs Monaten.
Jetzt ist – bedauerlicherweise – ziemlich viel von dem damals Vorhergesagten eingetroffen. Auch eine Mobilmachung weiter Teile der russischen Armee. Die EU-Spitze hat genau so gehandelt, wie das zu erwarten war. Und das war nicht wirklich zu unserem Vorteil.
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