Rudolf Öller: Stasikratie
Der Niedergang der SPÖ begann nach Bundeskanzler Bruno Kreisky. Es gibt viele prominente SPÖ-Mitglieder, die sich wehmütig an Kreisky erinnern. Er habe Österreich aus der Kleinkariertheit beschaulichen Bürgertums in die Moderne geholt, er habe den untersten Schichten der Bevölkerung Schulbücher beschert, er habe Österreich auf das internationale Parkett geholt usw. Da ist etwas dran, keine Frage, aber warum dreht sich alles um Kreisky? Warum nicht Sinowatz? Warum nicht Klima? Warum nicht Faymann? Die Antwort ist simpel: Nach Kreisky kam nichts Vergleichbares mehr.
Meritokratie
Die Stärke des Kapitalismus ist die Meritokratie. Das ist eine Gesellschaftsform, in der Personen aufgrund ihrer anerkannten Fähigkeiten und Verdienste begünstigt werden, um führende Positionen zu besetzen. Natürlich schlüpfen auch Unfähige durch und gelangen zu Posten und Ehren, aber die Tüchtigen haben in der Regel das Sagen. Die Schwachstelle aller staatsnahen und somit auch sozialistischen Ideologien ist die – nennen wir es – “Stasikratie”. Das Wort Stasi hat hier nichts mit der ehemaligen Staatssicherheit der DDR zu tun, sonder mit dem griechischen Wort für Haltung. Im Sozialismus kommen nicht die Tüchtigen und Begabten nach oben, sondern die mit dem “richtigen” Parteibuch und der gewünschten Haltung.
Ich kann mich noch gut an die Steyrer Werke in meiner Heimatstadt erinnern, in denen nur die Sozialisten das Sagen hatten. Verwandte und Bekannte, die dort arbeiteten, mussten das Parteibuch der SPÖ besitzen. Heute gibt es die alten Steyrer Werke nicht mehr. Es handelt sich um eines der vielen ökonomischen Opfer einer Partei, die beim Rechnen immer schon Pech hatte.
Ruinöse Verluste
Die sozialistische Arbeiterzeitung starb 1991. Die rote Zentralsparkasse der Gemeinde Wien ging aus der Fusion mit der ebenfalls roten Länderbank 1991 in der Bank Austria AG auf. Nach mehreren Eigentümerwechseln ging die Bank 2005 schließlich in das Mehrheitseigentum der Unicredit in Mailand über. Die Sozialisten haben ihre einst stolze Supermarktkette Konsum 1995 finanziell an die Wand gefahren. Mit Schulden von 26 Milliarden Schilling (das entspricht heute rund 2,5 Milliarden Euro) war der Konsum-Ausgleich die damals größte Pleite der Nachkriegsgeschichte. Die BAWAG-Verlustgeschäfte führten 2006 zum Rücktritt von ÖGB-Präsident Verzetnitsch und BAWAG-Aufsichtsratsvorsitzenden Günter Weninger. Die neue Gewerkschaftsspitze um Rudolf Hundstorfer entschied sich damals, die BAWAG zu verkaufen. 2003 wurde die vollständige Privatisierung der VOEST beschlossen, worauf die letzten Staatsanteile zum Verkauf angeboten wurden. Der damalige VOEST-Zentralbetriebsratsobmann, der SPÖ-Politiker Franz Ruhaltinger, hatte durch die Betriebsratsmandate eine begrenzte formale Mitbestimmungsmacht. In Wahrheit hatte er als Kreisky-Vertrauter das alleinige Sagen, was die verstaatlichte VOEST am Ende ruinierte.
Die Kernschmelze
Diese Liste der von der SPÖ verschuldeten wirtschaftlichen Niedergänge ist unvollständig. Vielen Lesern werden spontan weitere rote Katastrophen einfallen – vom Kriminalfall Lucona bis hin zur Affäre Silberstein. Die Folgen für die SPÖ waren gravierend, denn die Macht der SPÖ kam immer nur aus der Möglichkeit, zigtausende Jobs in Behörden und Firmen verteilen zu können. Die allmähliche Kernschmelze der SPÖ-Posten führte zu einem nachhaltigen Machtverlust. Wenn heute der neue SPÖ-Bundesparteiobmann Babler von einem Comeback der Sozialdemokratie redet, dann wird er bald merken, dass die SPÖ ihren Wählern außer höheren Steuern und simplen “Gerechtigkeits”-Floskeln nichts mehr anzubieten hat. Das letzte verbliebene rote Jobkombinat sind die städtischen Betriebe in Wien, wo man sich mit dem Rechnen auch schwer tut, wie der Skandal rund um die milliardenschweren Stromspekulationen der Wien Energie im Spätsommer 2022 gezeigt hat.
Die Frage, wie es eine wirtschaftlich so unbedarfte Partei geschafft hat, so lange an der Macht zu bleiben, ist berechtigt.
Das Glück wechselt
Eine Antwort liegt im langen Verhindern der Liberalisierung des Rundfunkrechts. Am 24. November 1993 fiel in Straßburg am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine für die Zukunft des Rundfunks wichtige Entscheidung. Das Rundfunkmonopol fiel bei uns erst acht Jahre später. Das war zu einer Zeit, als bereits in allen ehemaligen kommunistischen Ländern Europas private Radio- und Fernsehstationen legal senden konnten. In keinem anderen demokratischen Staat wurden (durch die SPÖ) die Liberalisierung von Radio und Fernsehen so lange und so verbissen verhindert wie in Österreich. Der Grund liegt in einer erfolgreichen Symbiose von ORF und SPÖ. SPÖ-freundliche Berichterstattung erfolgte im Tausch gegen Sonderrechte.
Die Macht alter Medien schwindet zugunsten des Internets wegen Twitter, YouTube, Netflix, Disney+ und veränderten Lesegewohnheiten der Generation unter vierzig. Die Macht der SPÖ wird nach dem letzten schrecklichen Parteitag nicht wiederkehren. Einige Altmedien werden gegen den eigenen Niedergang und den Machtverlust der SPÖ tapfer ankämpfen, aber die glorreichen Zeiten werden nicht mehr kommen. Die Stasikratie, die Herrschaft durch Hypermoral und Haltung, aber ohne Können, ist ein Auslaufmodell, auch wenn es noch nicht danach aussieht.
Der große Philosoph und Schriftsteller Niccolò Machiavelli sagte einst treffend: “Es ist unmöglich, einen Mann, dem durch seine Art zu verfahren viel geglückt ist, zu überzeugen, er könne gut daran tun, anders zu verfahren. Daher kommt es, dass das Glück des Mannes wechselt, denn die Zeiten ändern sich, er aber wechselt nicht sein Verfahren”.
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