Rudolf Öller: Utopie und Revolution
Die Wahlerfolge der Kommunistischen Partei in Graz und Salzburg haben einen beruhigenden Reflex bei einigen Journalisten, Bewunderern und Freizeitrevolutionären ausgelöst. „Es seien keine Nordkorea- oder Stalin-Kommunisten gewählt worden“, lauteten die Schalmeienklänge der Beschwichtiger, und überhaupt gehe es den Grazer und Salzburger Kommunisten um die hohen Mieten. Ja eh, aber wegen hoher Wohnungskosten muss man sich nicht nach der schlechtesten Ideologie aller Zeiten benennen. Immerhin wissen wir heute, welche Verbrechen im Namen des Kommunismus begangen wurden.
Der Kommunismus betrat 1917 in Russland die Weltbühne, doch die ideologischen Vorarbeiten fanden schon früher statt. Die Vorstellung einer Gesellschaft, in der die Gleichheit aller durch ein Verbot persönlicher Bereicherung garantiert wird, ist alt. Die Früchte der Arbeit sollten dem Kollektiv gehören.
Der Philosoph Platon und die Kirchenväter verfeinerten diesen Gedanken. Sie verurteilten die Gier, durch die Menschen und ganze Kommunen ruiniert werden können. Aus dieser Philosophie entstand zu Beginn der Neuzeit eine neue Form der Gesellschaftskritik, die Utopie. Während der Zeit der Aufklärung trug der Utopiegedanke wesentlich zur Französischen Revolution bei. Damals entstand auch der Begriff „Kommunismus“. In seiner ursprünglichen Bedeutung ging es um Gleichheit (Égalité), die durch die Revolution eine „Gemeinschaft der Güter“ erreichen wollte. In der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte Karl Marx eine Hypothese, der zufolge Utopie und Revolution die Grundlagen eines historischen Prozesses sind. An dessen Ende steht die Überwindung des Kapitalismus durch die Arbeiterklasse. 1917 ergriffen Wladimir Uljanow – genannt Lenin – und die Bolschewiki in Sankt Petersburg die Macht und versuchten, den Marxismus zu verwirklichen.
Der Kommunismus wurde in der Folge zu einem weltweiten politischen System, erst in der UdSSR und in den Volksdemokratien, später unter Mao Zedong in China, Kim Il-Sung in Nordkorea, Fidel Castro auf Kuba und Pol Pot in Kambodscha. Im 20. Jahrhundert existierten zusätzlich noch weitere Vorstellungen vom Kommunismus. Rosa Luxemburg, Leo Trotzki, Che Guevara und andere verkündeten ihre eigene Sicht. Untauglich waren alle Varianten.
Den wahren Grund für das Versagen aller kommunistischer Lehren nannte der österreichische Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz. Er sagte einmal sinngemäß, dass der Mensch „in der Elf-Mann-Sozietät“ gut und sozial sei. Er meinte damit, dass sich der von Natur aus sowohl egoistische als auch hilfsbereite Mensch für seine Familie, den Clan, eventuell auch für die Dorfgemeinschaft einsetzt, wenn es nötig ist. Dieser natürliche soziale Instinkt endet in jedem Fall bei Konstruktionen wie dem Staat oder der EU. Staatsorgane werden gerade noch als notwendig akzeptiert, aber nicht geliebt.
Verzweifelte Gesichter
Marx schrieb zwar „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“, aber in der kommunistischen Praxis sind Eigeninitiativen unerwünscht. Sie werden von kommunistischen Bürokraten sogar als bedrohlich angesehen.
Stéphane Courtois, ein Historiker, der den weltweiten Kommunismus erforscht hat wie kein anderer, schreibt im fast tausendseitigen Werk „Schwarzbuch des Kommunismus“, dass die Kommunisten weltweit mindestens 80 Millionen Menschen ermordet haben. Bei der Lektüre des Buchs stößt man immer wieder auf Parallelen zu den Ideen und Methoden der Nationalsozialisten. So gab es auch im Kommunismus Konzentrations- und Vernichtungslager. In der Sowjetunion hießen sie „Gulag“, in China „Laogai“ und in Kambodscha „Santebal“. Das Lager Santebal-21 in Phnom Penh wurde in ein Museum umgebaut und ist vom heutigen Konzentrationslager Mauthausen kaum zu unterscheiden: Die gleichen sadistischen Wachleute, die gleichen geschundenen und verzweifelten Gesichter auf tausenden Fotos, das gleiche Grauen.
Eine schlecht umgesetzte gute Idee?
Naive Zeitgenossen glauben immer noch, die kommunistischen Länder seien Arbeiterparadiese gewesen. Die Realität ließ sich jedoch nicht verbergen. Bereits unter Lenin zeichnete sich das Auseinanderklaffen von kommunistischen Zukunftsträumen und der Wirklichkeit ab. Tatsächlich waren die Führungsriege und die Verwaltungsbeamten der Staatspartei „gleicher“ als alle anderen. Dieser Graben vertiefte sich während der Terrorjahre unter Stalin und festigte sich in der Zeit seiner Nachfolger. Die gleichen Widersprüche traten unter allen kommunistischen Regierungen in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika auf. Ausnahmslos alle diese Regime waren von diesem Paradoxon gekennzeichnet: Auf der einen Seite stand die Ideologie der Gleichheit, auf der anderen Seite die Realität der reichen Oberschicht und der armen Bevölkerung. Ich bereiste als Student seinerzeit einige Ostblockstaaten und die Sowjetunion einschließlich der Ukraine. Das Elend der Bevölkerung in den kommunistischen Ländern – bei gleichzeitigem Wohlstand in Westeuropa – war mit Händen zu greifen.
Der Kommunismus ist keine schlecht umgesetzte, sondern eine zum Scheitern verurteilte miserable Ideologie. Sollte heute jemand auf die Idee kommen, eine „Nationalsozialistische Österreichische Arbeiterpartei“ zu gründen, dann stünde augenblicklich die Polizei vor der Türe, denn die Wiederholung dieser dunklen Geschichte wünscht sich nur eine verhaltensauffällige Minderheit. Es ist aber erlaubt, eine Partei bei Wahlen antreten zu lassen, deren Namen an eine schreckliche Ideologie erinnert, die in Theorie und Praxis dem Nationalsozialismus ähnlich ist. Die freundlichen Gesichter der heutigen Protagonisten können nur Menschen täuschen, denen jedes Geschichtsverständnis fehlt. Am „K“ der KPÖ klebt das Blut von Millionen.
Kommentare