Ruth Pauli: An den Grenzen der Intelligenz
Diese schier endlose Pandemie bringt uns an unsere Grenzen – der Kraft, der Leistungsfähigkeit, der Geduld. Viele leider aber auch an die Grenzen ihrer Intelligenz.
Und damit meine ich nicht die 40.000, die am Samstag demonstriert haben. Die vielen Ratlosen, die vielen Verunsicherten unter ihnen darf man nicht mit den rechtsradikalen Krakeelern gleichsetzen, die sie vereinnahmen wollten. Die große Zahl der Impfskeptiker macht vielmehr leider deutlich, welcher Riss durch unsere Gesellschaft geht.
Gemeinschaftsgefühl ist weg
Die Impfskeptiker werden für „fetzendeppert“, minderbemittelt, gemeingefährlich erklärt. Ausgerechnet ein linker Journalist, der sich gern als liberal bezeichnet, ruft ihretwegen schon nach dem starken Mann – in Portugal habe ja auch ein General alle an die Nadel gezwungen. Also her mit einer eisernen autoritären Hand? Ein sonst betont links-liberaler Verfassungsrechtler verlangt die Zwangs-Isolierung von Impf-Verweigerern.
Das alles macht fassungslos. Das ist Österreich im 21. Jahrhundert?
Das Gemeinschaftsgefühl, an das noch zu Anfang der Pandemie erfolgreich appelliert wurde, ist weg. Zu viele Hoffnungen sind enttäuscht worden. Unüberschaubar groß ist dagegen die Zahl derer, die im Nachhinein immer alles besser gewusst haben wollen: Kein Journalist, kein Oppositionspolitiker, der nicht die Torheit der Regierenden belächelt oder verdammt. Als ob in dieser Pandemie irgendjemand wirklich etwas genau wüsste. Übrig bleibt eine Regierung, die sich in infantilen Entschuldigungsritualen gefällt, ihre Handlungen aber nicht verständlich machen kann. Nicht einmal die –gerechtfertigte – Einführung der Impfpflicht ist sie imstande so zu begründen, dass ihr die Menschen, die sie ansprechen will, folgen können.
Die Wahrheit wird fällig
Nach eineinhalb Jahren, die wir diesem Virus ausgeliefert sind, wäre die Wahrheit fällig: Die Politik schlingert, weil ihr auch die Wissenschaft keine wirkliche Entscheidungsgrundlage liefern kann. Auch sie ist überfordert.
Die Impfung hat sich nicht als das Allheilmittel erwiesen, als das sie zuerst angepriesen wurde – aber als Erleichterung: Bei mittlerweile mehr als fünf Millionen Corona-Toten weltweit sollte man dankbar sein, dass sie zumindest den ganz schweren Krankheitsverlauf verhindert. Das ist schon sehr viel: Denn denken wir auch an die Leiden der Krebs-Patienten, die nicht operiert werden können, weil die Intensivbetten mit Corona-Kranken voll sind, oder an die dadurch sinkenden Überlebenschancen von Menschen, die einen Herzinfarkt erleiden oder einen schweren Unfall haben. Mit der Impfung haben wir es in der Hand, den Ärzten die Entscheidung zu ersparen, wem sie ein Intensivbett und damit die Überlebenschance geben und wem nicht.
Redet endlich mit den Impfverweigerern! Überzeugt sie, statt sie zu verachten. Mit dem Ruf nach dem „starken Mann“ und Zwangs-Isolierung werden wir nichts erreichen – außer eine dauerhaft gespaltene Gesellschaft.
Kommentare