Ruth Pauli: Wie wär’s mal mit Regieren?
Gibt es noch Probleme außer Corona? Wir spüren sie alle – aber was ist mit denjenigen, die dazu gewählt sind, unsere Probleme zu lösen? Die sind offensichtlich zu beschäftigt.
Nehmen wir die galoppierende Inflation.
Natürlich, die Regierung des kleinen Österreichs wird sie nicht verhindern können, denn ihre Ursachen sind teils global, teils von der Europäischen Zentralbank mitverursacht. Man könnte aber den Menschen das Leben leichter machen.
Auf die gestiegenen Preise könnte der Wiener Bürgermeister reagieren – wenn er daran denkt
Nur ist die Politik durch die Pandemie überbeschäftigt. Zum Beispiel ist der Wiener Bürgermeister vollkommen damit ausgelastet, den Zuchtmeister seiner Bürger im ständigen Verschärfen von Regeln zu spielen, sodass er ihre Alltags-Sorgen gar nicht bemerkt. So einfach wäre es gewesen, die alljährliche Automatik außer Kraft zu setzen, mit der alle Dienstleistungen der Stadt zu Jahresanfang verteuert werden. Inflationsgebunden – und mit der städtisch verordneten Teuerung wird dann gleich die Inflation weiter angeheizt und schon die Teuerung fürs nächste Jahr vorbereitet. Ein Jahr lang das Wiener Gebührenkarussell nicht anzuwerfen, würde vielen Mindestrentnern das teure Heizen erleichtern (vielleicht auch manchem „Schutzsuchenden“ die Anschaffung eines Porsche Cayenne). Der Finanzminister hat die Bundes-Gebühren in der Pandemie nicht erhöht (und es ist zu hoffen, dass Markus Brunner sich da an Gernot Blümel ein Beispiel nimmt) – warum kann das Michael Ludwig nicht?
Der Bildungsminister vergisst auf das gesunkene Bildungsniveau
Oder der Bildungsminister. Er ist mit dem Nachvollziehen der Covid-Regeln für die Schulen so überfordert, dass er sich gar nicht mehr darum kümmern kann, darüber nachzudenken (nein, nicht über seine Frisur, sondern:), wie die pandemie-bedingt gesunkene Ausbildungsqualität an Schulen und Universitäten wieder zu erhöhen wäre und wie sinnvolle Verbesserungen für die Zeit danach aussehen müssten. Mit Schlagworten („Digitalisierung!“ oder „Gratis-Tablet für jeden Schüler“) allein werden sich Qualitätsdefizite – die ja nicht erst seit der Pandemie bestehen, von ihr aber verschärft wurden – nicht beseitigen lassen.
Warum wird den Schulen nicht angeordnet, die neun Wochen Sommerferien zu verkürzen und die freien Tage lieber in die kalte Jahreszeit zu verlegen? Im Sommer ist das Ansteckungsrisiko geringer, da könnten die Klassen mit geringerem Risiko abgehalten werden. Das hieße natürlich, dass der Minister den Kampf gegen die gut organisierten Lehrer auf sich nehmen müsste. Nur: Sind Gewerkschaftsregeln wirklich so viel wichtiger als Bildungsniveau und Gesundheitsvorsorge unserer Kinder?
Österreichs Hochschulen fallen beim internationalen Ranking zurück
Oder: Was ist dagegen zu machen, dass die österreichischen Universitäten in den internationalen Universitäts-Rankings, wenn überhaupt, dann nur ganz abgeschlagen auf den hinteren Plätzen landen? Sind unsere Hohen Schulen vor lauter Kantönligeist unserer Landeshauptleute („Mein Bundesland braucht unbedingt eine eigene Medizin-Uni“ etc.) verprovizialisiert? Oder woran liegt es – das könnte ein verantwortungsvoller Minister einmal untersuchen und beginnen, die Ursachen für das Abschwimmen einstmals berühmter Universitäten zu beseitigen.
Wären für das Land nicht von dieser Regierung – und übrigens auch von der mit Untersuchungsausschüssen überlasteten Opposition – Probleme in Angriff zu nehmen, die die Pandemie bloßgelegt hat? Davon gibt es Legion – es beginnt bei einem Datenschutz-Gesetz, das mehr Schaden als Segen ist, einer nicht zeitgemäßen Machtverteilung zwischen Bund und Ländern und reicht bis zur fraglichen Qualität mancher Ministerien. Müsste ein Gesundheitsministerium nicht reformiert werden, wenn seine Erlässe ständig nachgebessert, ergänzt und verändert werden müssen und trotzdem den Höchstgerichten nicht standhalten? Da darf der Steuerzahler schon einmal die Frage stellen, ob sich die Minister genügend um die Qualität ihrer Häuser kümmern.
Nach knapp zwei Jahren Pandemie müsste die Tagesordnung wieder um die vielen drängenden Probleme dieses Landes erweitert werden. Wenn ein Thema noch so fordernd ist, können nicht alle gestaltenden Kräfte damit gebunden sein. Oder will man sich an den Problemen, die schon alle Vorgänger lieber ignoriert als gelöst haben, nicht die Zähne ausbeißen? Zum Verwalten des Stillstandes sind die Parlamentsparteien jedenfalls nicht gewählt.
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