1. So tief kann man gar nicht schlafen, dass nicht eines glasklar wurde: Und wenn die Kickl-Freiheitlichen noch so sehr von Rot-Grün-Pink geschmäht werden – sie dürfen dann mitregieren, wenn sie für eine Machergreifung nötig sind. Da ist einer roten Kanzlerin von Kickls Gnaden jeder Parteitagsbeschluss egal, da reichen die Pinken den sonst Aussätzigen die Hand, da fürchtet plötzlich das grüne Establishment die Basis nicht mehr. Da gibt es plötzlich keine Angst vor den Reaktionen „des Auslands“ mehr. Oder war die Drohung, mittels anonymer Anzeige und WKStA könnte jederzeit der nächste Unliebsame abgeschossen werden, die Rückversicherung für freiheitliches Wohlverhalten bei diesem Unternehmen?

2. Schlimmer, noch viel schlimmer aber ist das, was sich in den turbulenten Tagen der Kurz-Entfernung an Rechtsbrüchen abspielte – ohne dass irgendjemand das hinterfragt hätte: Noch nie konnte man eine von der WKStA verfasste und von einem Richter abgestempelte „Anordnung zur Hausdurchsuchung“ im Internet zeitgleich mit den Polizei-Aktionen nachlesen – und zwar zeitgleich auf einer Seite, wo jeder, der will, Dokumente anonym hochladen kann, und auf „zackzack“, der Pilz-Gründung, wo man oft über Aktionen der Staatsanwaltschaft und der Justizministerin schon vorab informiert wird.

Dämme werden gebrochen

3. Dann veröffentlicht die WKStA 500 Seiten abgetippte Chats – aber nicht nur Nachrichten, die strafrechtlich relevant wären, sondern alles, worauf moralische Empörung gegründet werden kann. Und alle Zeitungen, alle Politiker zitieren frisch-fröhlich daraus, ohne zu bedenken, welche Dämme hier gebrochen werden. Diese Abschaffung des Briefgeheimnisses, auch des elektronischen, geht uns alle an – das kann jetzt jedem passieren. Laut EuGH wäre noch dazu die Auswertung elektronischer Kommunikation nur im Falle von Terrorismus zulässig. Also ist Sebastian Kurz ein Terrorist. EU-Recht steht über österreichischem Recht – aber darüber reden wir in Österreich nicht, wenn es uns nicht ins Konzept passt.

4. Der ORF lässt den Verfassungsjuristen Heinz Mayer mehrmals auftreten, weil er so schön erklärt, dass sich Kurz in die parlamentarische Immunität flüchtet – auch wenn es nicht stimmt. Denn diese Immunität gilt nur für strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit der parlamentarischen Arbeit, wie nicht nur ein Parlamentarismus-Experte erklärt. Kein Ruhmesblatt für Experten und Journalisten.

5. Die Hausdurchsucher beim Fellner-Medienhaus „Österreich“ ereilte während ihrer Arbeit die elektronische Nachricht aus dem OGH, dass diese Hausdurchsuchung nicht genehmigt sei. Was sie nicht am Weitermachen hinderte. Nun kann man von den Fellners halten, was man will – aber wenn Anwalt Georg Zanger nun die Republik klagt, sollte sich die „vierte“ (mediale) Gewalt doch einmal überlegen, was das für die Pressefreiheit heißt.

Faymann lässt grüßen

6. Das Geschäft Steuergeld-Inserate gegen positive Berichterstattung, das Grundlage der Kurz-Vorwürfe ist, wird nicht besser, wenn man sagen muss: Unter Faymann war es genauso, in der Gemeinde Wien ist es noch ärger. Das gehört schnellstens abgeschafft. Was aber stutzig macht: Ein einziges Mal wurde bisher aus den Chats des Thomas Schmid ein derartiger Abtausch mit einer „Qualitätszeitung“, nämlich mit der „Presse“ geleakt. Interessanterweise auch auf „zackzack“. Und wer diesen Inseraten-Filz kennt, der weiß: Einschlägige Chats gibt es zu 100 Prozent über alle Medien. War dieser gezielte Leak über die „Presse“ ein Warnschuss, falls irgendein Medium die WKStA doch noch kritisch zu sehen beginnt?

Zackzack

Kommt da „zackzack“ ein bisschen oft vor? Nicht wundern: Es ist eine Pilz-Gründung, Justizministerin Alma Zadic war eine Pilz-Abgeordnete. Und sie steht felsenfest vor der „unabhängigen Justiz“ (zu der bekanntlich die Staatsanwaltschaft nicht zählt). Sie steht davor. Da kann sie mit Recht sagen, dass sie hinten keine Augen hat, um zu sehen, was dort geschieht. Sie weiß es ohnehin.

Und über allem wacht der Bundespräsident mit Argusaugen – die, wie die Sage uns lehrt, alle schlafen.