
Stefan Embacher: Bunkerstimmung? Die Krise fragt nicht, ob du vorbereitet bist
Verschwörungstheorien über geheime Bunkerstädte sind Unsinn – aber echte Krisen sind längst Realität, warnt der anerkannte Sicherheitsexperte Stefan Embacher. Naturkatastrophen, Blackouts und Kriege zeigen: Wer vorsorgt, denkt nicht paranoid – sondern verantwortungsbewusst. Embacher erklärt, was jeder tun kann, um im Ernstfall nicht hilflos zu sein.
In den letzten Wochen machte in Verschwörungskreisen ein Interview einer ehemaligen Mitarbeiterin von US-Präsident George W. Bush die Runde. Sie behauptet darin, die USA hätten mit Billionen an Steuergeldern unterirdische Megastädte gebaut – angeblich als geheime Rückzugsorte für die Elite im Falle einer globalen Katastrophe. Zu glauben, dass ein derartiges Mammutprojekt in Zeiten von Satellitenbildern, Leaks und Internet auch nur für eine Woche geheim bliebe, ist natürlich Unsinn.
Von der Verschwörung zur Vorsorge: Warum echte Krisen längst Realität sind
Ich möchte diese absurde Geschichte jedoch zum Anlass nehmen, um über ein ganz reales Thema zu sprechen: Vorsorge im Ernstfall. Denn ob man will oder nicht – Krisen sind keine theoretischen Szenarien mehr, sondern Teil unseres Alltags geworden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell globale Lieferketten zusammenbrechen können. Der Krieg in der Ukraine hat Europas Sicherheitslage dramatisch verändert. Und weltweit nehmen Naturkatastrophen zu – allein im Jahr 2023 wurden laut Munich Re über 340 Naturkatastrophen registriert, die zusammen mehr als 250 Milliarden US-Dollar an wirtschaftlichen Schäden verursachten.
Boom der Bunker: Wie aus dem Prepper-Trend ein Milliardenmarkt wurde
In Deutschland hat das konkrete Auswirkungen: Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 ist die Nachfrage nach privaten Schutzräumen stark gestiegen. Laut dem Anbieter BSSD aus Berlin haben sich die Anfragen verdreifacht – in Spitzenzeiten gingen täglich bis zu 1.000 Anrufe ein. Auch international zeigt sich der Trend: Das US-Unternehmen Vivos berichtet von einem Anstieg der Anfragen um 2.000 Prozent seit 2022 – ein Boom, der den Umsatz um über 300 Prozentsteigerte.
Ein voll ausgestatteter Schutzraum kostet heute nicht zwangsläufig Millionen. Einfache Modelle beginnen bei rund 79.000 Euro – nach oben sind natürlich keine Grenzen gesetzt. Dass Tech-Milliardäre wie Mark Zuckerberg oder Peter Thiel sich Rückzugsorte in Neuseeland oder Hawaii für geschätzte 5–10 Millionen Dollar sichern, zeigt: Vorsorge ist kein Spinner-Thema. Sondern eines für Menschen mit Weitblick.
Vorsorgen statt verdrängen: In den USA ist Krisenbewusstsein längst Mainstream
Das zeigt sich besonders in den USA, wo die sogenannte Prepper-Szene seit Jahren stark wächst. Dort bereiten sich Millionen Menschen aktiv auf Krisenfälle vor – von Naturkatastrophen über Stromausfälle bis hin zu gesellschaftlichen Unruhen. Laut Schätzungen der „Prepping Industry Research“ lag das Marktvolumen für Survival-Ausrüstung in den USA 2023 bei über 12 Milliarden US-Dollar – Tendenz steigend. Prepper kaufen nicht nur Konserven und Wasserfilter, sondern investieren auch in Solaranlagen, Geländefahrzeuge und eben Bunkeranlagen. Die Szene ist äußerst vielfältig: Neben militanten Einzelgängern gibt es immer mehr ganz normale Familien, die einfach vorbereitet sein wollen. In vielen Bundesstaaten ist Krisenvorsorge längst Mainstream – und kein Tabuthema.
Was jeder Mensch tun kann – ganz ohne Aluhut
Ich selbst komme aus der Sicherheitsbranche und verfolge geopolitische Entwicklungen sehr aufmerksam. Sicherheit heißt für mich nicht Angst, sondern Vorbereitung. Und Vorbereitung bedeutet nicht zwangsläufig, einen Bunker zu bauen. Der „Ernstfall“ kann auch viel banaler sein: ein tagelanger Stromausfall wie jener, der vor wenigen Wochen große Teile von Spanien, Portugal und Frankreich betroffen hat. Oder ein Cyberangriff auf kritische Infrastrukturen. Oder ein Hochwasser wie 2021 im Ahrtal.
Was jeder Mensch tun kann – ganz ohne Aluhut:
• Notvorräte anlegen: Die Bundesregierung empfiehlt, Lebensmittel für 10 Tage einzulagern. Auch Trinkwasser sollte in ausreichender Menge (ca. 2 Liter pro Person und Tag) vorhanden sein.
• Blackout-Vorsorge treffen: Kerzen, batteriebetriebene Lampen, Powerbanks, ein Campingkocher oder Kurbelradio können im Notfall Gold wert sein.
• Dokumentenmappe vorbereiten: Kopien wichtiger Unterlagen (Ausweise, Versicherungen, Kontodaten) in Papierform und auf einem USB-Stick griffbereit halten.
• Nachbarschaft vernetzen: In Krisensituationen ist gegenseitige Hilfe oft überlebenswichtiger als jedes Hightech-Gadget.
• Notfallrucksack packen: Ein sogenannter „Go-Bag“ mit Kleidung, Medikamenten, Taschenlampe und etwas Bargeld kann im Ernstfall Leben retten – etwa bei Evakuierungen durch Naturereignisse.
Fazit: Vorsorge hat nichts mit Panik zu tun – sondern mit Verantwortung. Für sich selbst, für die Familie, für die Gemeinschaft. Wir leben in einer Zeit, in der Sicherheit nicht mehr selbstverständlich ist. Aber vorbereitet zu sein – das können wir alle.
Stefan Embacher ist Leiter der Fachgruppe Verteidigung im Bundesverband für Aussenwirtschaft in Berlin und Vorsitzender des Executive Boards der RocFortis Group, einem internationalen Anbieter für Intelligence, Security und Defence mit Sitz in Wien. Die Gruppe verbindet militärische Expertise mit technologischer Innovation und ist auf Risiko- und Krisenmanagement, sicherheitsrelevante Analysen sowie softwaregestützte Informationsbeschaffung spezialisiert. Zuvor war Embacher u.a. beim österreichischen Bundesheer und Palantir Technologies tätig. Mit seinem Buch „White Crime – Schutz vor Wirtschaftsspionage als Führungsaufgabe“ hat er wichtige Impulse für den digitalen Wirtschaftsschutz gesetzt. Als international gefragter Experte für Open Source Intelligence und hybride Bedrohungsszenarien steht er für nüchterne Analysen und strategische Sicherheitsvorsorge ohne Alarmismus.
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