“Die Russen haben es geschafft, rechtzeitig vor dem Leerwerden ihrer Lager eine Anschlussversorgung sicherzustellen, durch Eigenproduktion und vor allem durch Unterstützung durch den Iran”, so Oberst Reisner. Gemeint sind damit vor allem die Kamikaze-Drohnen vom Typ “Shahed 136“. Diese 60 Kilogramm schweren Waffensysteme kosten pro Stück 20.000 Euro. Haben sie ihr Ziel anvisiert, werden sie von der ukrainischen Abwehr oft mit deutschen IRIS-T-Raketen abgeschossen – Kostenpunkt: 400.000 Euro.

Massive Einkesselung droht

Im Moment ortet Reisner eine “eingefrorene Frontlinie”, die sich von Cherson entlang des Dnipro-Flusses nach Saporischschja über Donezk bis in den Raum ostwärts von Kupjansk ziehe. “Die Russen beginnen sich, massiv einzugraben.” Zwei strategisch günstige Räume für eine Offensive der Ukrainer sieht Reisner: Erstens in der Region Saporischschja beim Dnipro-Knie in Richtung Melitopol und zweitens ein ukrainischer Vorstoß in die Region Kreminna südöstlich von Charkiw. Hier könnten die Versorgungslinien der Russen in den Donbass abgeschnitten werden. Ein Stoß in Richtung Melitopol würde hingegen zu einer massiven Einkesselung führen. Russland sei mittlerweile in der militärisch vorteilhafteren Rolle des Verteidigers. Die ukrainischen Angreifer müssten nun in einer Offensive eine Überlegenheit von 3:1 oder gar 4:1 aufbauen.

Der Durchhaltewillen der Ukrainer soll gebrochen werden

Trotz aller Kritik an der Taktik und Operationsführung der Russen erachtet Reisner deren Kriegsführung auf der strategischen Ebene noch immer als “sehr überlegt” und “schmerzhaft”: “Die Russen setzen die iranischen Drohnen ein, um die ukrainische Fliegerabwehr zu binden. Und wenn diese dann übersättigt ist, dann versucht man mit Marschflugkörpern durchzustoßen und Ziele in der Tiefe anzugreifen”. Mit Angriffen auf die Infrastruktur des Landes will Moskau den Durchhaltewillen der ukrainischen Bevölkerung brechen sowie die Versorgung und Rüstung der ukrainischen Streitkräfte schwächen. Die ukrainischen Gegenschläge wie auf Sewastopol und den Flughafen Engels, um Flugzeuge und Schiffe, also Träger der Marschflugkörper zu treffen, seien bisher aber “nur ein Tropfen auf dem heißen Stein”. Russland könne die Angriffe weiter durchführen. Daher der hohe Bedarf der Ukraine an Fliegerabwehr.