SOS-Kinderdorf-Geschäftsführerin Elisabeth Hauser berichtete von “schwerem Fehlverhalten von Mitarbeitern”. Kindern wurde demnach “Gewalt angetan, bis hin zu sexuellem Missbrauch”, sagte sie. Sie versicherte eine “schonungslose und transparente Aufarbeitung” der Vorfälle. Welche Länder genau betroffen sind, gab sie aber ebenso wenig bekannt wie die Zahl der bisher bekannten Opfer. Das müsse erst alles im Detail geprüft werden. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen “dürfte sich sehr klein halten”, sagte Hauser.

Mit einer ersten Untersuchung sei bereits vor drei Jahren begonnen worden, die nunmehrigen Unterlagen gehen auf eine Überprüfung vom November 2020 zurück. Die Vorfälle würden sie erschüttern, es wurde “eklatant gegen Werte und Standards verstoßen”, sagte Hauser. Mitarbeiter in den einzelnen Ländern, die die Vorfälle ansprachen, wurden laut der Geschäftsführerin “rausgedrängt, und den Kindern wurde nicht geglaubt”. Es sei eine “untragbare Situation”. Die Vorfälle reichen “bis in die 90er-Jahre oder in die jüngere Vergangenheit zurück”, sagte Hauser. Jeder einzelne Fall sei einer zu viel.

Schonungsloser Prozess

Um alle Vorwürfe aufzuarbeiten, wird die ehemalige steirische Landeshauptfrau und Leiterin der Unabhängigen Opferschutzkommission (UOK) der katholischen Kirche, Waltraud Klasnic, eine unabhängige Kommission einrichten. Sie spüre Willen und Wollen von SOS-Kinderdorf, “alles zu tun, dass Ordnung hergestellt wird”, sagte sie. Einige Unterlagen habe sie schon gesichtet, kommende Woche soll sich die Kommission konstituieren. “In einem ersten Schritt muss rasch festgestellt werden, in welchen Fällen personelle Konsequenzen gezogen oder strafrechtliche Ermittlungen angestoßen werden müssen”, sagte Klasnic. “In einem zweiten Schritt werden wir klare strukturelle Empfehlungen zur Veränderung der Organisation erarbeiten. Sodass sich die Organisation nachhaltig strukturell und regulatorisch verändern und vergleichbare Missstände in Zukunft rasch identifizieren, aufklären und nötigenfalls sanktionieren kann”, erläuterte Klasnic.

“Wir setzen uns für einen schonungslosen Veränderungsprozess der gesamten Organisation ein und werden uns an die definierten Kriterien und Empfehlungen der Kommission verbindlich halten”, betonte Hauser. “Wenn einzelne Länderorganisationen diesen Weg nicht mitgehen, halten wir uns die Möglichkeit offen, ihnen in allerletzter Konsequenz das Recht, unter dem Namen von SOS-Kinderdorf zu arbeiten, zu entziehen.”

Wo kann man sich melden?

SOS-Kinderdorf ist weltweit als Föderation organisiert, unter dem Dach von SOS-Kinderdorf International. Die SOS-Kinderdorf-Organisationen in den einzelnen Ländern können sehr autonom entscheiden und handeln. “Das ist grundsätzlich auch sinnvoll. Allerdings wurde das Gleichgewicht zwischen Autonomie und Verantwortung in einzelnen Ländern nicht so gelebt, wie es den strengen Richtlinien von SOS-Kinderdorf entspricht. Hinzu kommt, dass es auch in der Struktur der Dachorganisation SOS-Kinderdorf International offensichtlich Mängel gibt. Es gibt auch Vorwürfe, dass Führungskräften von SOS-Kinderdorf International ein Teil der Vorfälle bekannt war und die Aufarbeitung und Verfolgung unterdrückt wurde”, sagte Hauser.

Ob es gegen Mitarbeiter bereits personelle Konsequenzen gegeben hat, “kann ich im Einzelfall nicht sagen”. Das müsse jetzt untersucht werden. SOS-Kinderdorf International habe ebenfalls bereits Schritte gesetzt. Eine Special Commission soll die Vorfälle prüfen. Die Klasnic-Kommission hat bereits eine E-Mail-Adresse eingerichtet, an die sich Menschen wenden können, um Vorfälle bei SOS-Kinderdorf außerhalb von Österreich zu melden: klasnic@childprotection.at.

 

(APA/red)