Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem langen Prozess um eine ungewünschte Autopsie eines Babys nun ein endgültiges Urteil gefällt und die Republik Österreich zur Zahlung von Buß- sowie Kompensationsgeldern in der Höhe von rund 48.000 Euro verurteilt. Die Begründung: Der österreichische Staat  habe die religiösen Rechte einer muslimischen Mutter aus Bregenz verletzt, weil an ihrem kurz nach der Geburt verstorbenen Baby ohne ihrer Einwilligung eine Autopsie durchgeführt wurde. Dieser nicht bewilligte Eingriff verhinderte in der Folge eine traditionelle Beerdigung des Kindes nach religiösem muslimischem Ritus.

Kind bereits schwer krank geboren – Recht auf Privat- und Familienleben verletzt

Das Urteil des EGMR besagt, dass durch die unbewilligte Autopsie des Kindes das Recht auf Privat- und Familienleben (Artikel 8) und Religionsfreiheit (Artikel 9) verletzt wurde. Für den erlittenen immateriellen Schaden stehen der Frau nun 10.000 Euro zu. Auch für die entstandenen Kosten in der Höhe von 37.800 Euro muss die Republik aufkommen.

Das Urteil kommt über 14 Jahre nach dem Tod des Kindes: Das Baby kam am 3. April 2007 bereits schwer krank auf die Welt und verstarb nur zwei Tage später an einer Hirnblutung. Die Kindsmutter beklagt, dass die Autopsie den Körper des Kindes “zerstört” habe, wodurch die im Islam vorgeschriebene rituelle Waschung und damit die religiöse Bestattung verhindert wurde.

Ungleichgewicht zwischen Interessen der Familie und der Wissenschaft

Die Richter des euröpaischen Gerichtshofs für Menschenrechte kamen nun zu dem Schluss, dass die Behörden den Willen der Mutter hätten berücksichtigen müssen. In dem konkreten Fall der Klägerfamilie sei “kein Gleichgewicht zwischen wissenschaftlichen Interessen und jenen der Mutter” gefunden worden. Zudem wären die Behörden dazu verpflichtet gewesen, die Familie genauer über die Art der Obduktion zu informieren.

Nach der Obduktion wurde der Leichnam des Babys an die Eltern übergeben, die zu diesem Zeitpunkt nichts von dem Eingriff, der nach dem Tod ihres Kindes vorgenommen worden war, wussten. Sie bemerkten die Spuren der Obduktion zunächst auch nicht, da das Kind angezogen war. Der so entstandene “Schaden” fiel so erst in der Türkei auf, wo das Kind eine religiöse Bestattung hätte bekommen sollen. Während der traditionellen Bestattungsriten wurden die Eltern auf den Zustand des Leichnams aufmerksam gemacht. Die Beerdigung musste unterbrochen werden, der Familie wurde eine traditionelle Beerdigung verweigert. In der Folge musste das Baby schließlich ohne die traditionell islamische Zeremonie, in einem anderen Dorf und gegen einen Aufpreis beigesetzt werden.