Die deutsche Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Russland-Politik während ihrer 16-jährigen Amtszeit verteidigt. Eine Entschuldigung für die von vielen als zu nachsichtig gegenüber Russland kritisierte Politik lehnte sie am Dienstagabend in Berlin in ihrem ersten großen Interview seit Ausscheiden aus dem Amt ab. “Also ich sehe nicht, dass ich da jetzt sagen müsste: Das war falsch, und werde deshalb auch mich nicht entschuldigen.”

Putin und Merkel betreten den Saal für eine gemeinsame Pressekonferenz nach ihren Gesprächen im Kreml am 20. August 2021.APA/AFP/POOL/Alexander Zemlianichenko

Mehr Härte nach Annexion der Krim wäre möglich gewesen

Merkel räumte zwar ein, dass man der Annexion der Krim durch Russland 2014 härter hätte begegnen können. Man könne aber auch nicht sagen, dass damals nichts gemacht worden sei. Sie verwies auf den Ausschluss Russlands aus der Gruppe führender Industrienationen (G8) und den Beschluss der NATO, dass jedes Land zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben soll.

Vor 16 Jahren: Merkel reist im Jänner 2006 als neue Bundeskanzlerin nach Moskau.APA/AFP/VLADIMIR RODIONOV/ITAR-TASS

“Putins Hass, Putins – ja, man muss sagen – Feindschaft geht gegen das westliche demokratische Modell”, sagte Merkel. Sie sei “nicht blauäugig oder so” gewesen, sondern habe gewarnt: “Ihr wisst, dass er Europa zerstören will. Er will die Europäische Union zerstören, weil er sie als Vorstufe zur NATO sieht.”

Eine der vielen gemeinsamen PressekonferenzenAPA

"Ich habe alles ausreichend versucht"

Auch dass sie sich 2008 gegen eine Nato-Osterweiterung um die Ukraine und Georgien gewandt habe, verteidigte Merkel. Hätte die NATO den beiden Ländern damals eine Beitrittsperspektive gegeben, hätte der russische Präsident Wladimir Putin schon damals einen “Riesenschaden in der Ukraine anrichten können”.

August 2021: Der russische Präsident begrüßt die damalige Noch-Bundeskanzlerin mit einem Blumenstrauß während ihres Treffens im KremlAPA/AFP/SPUTNIK/Evgeny ODINOKOV

Es sei so, “dass ich mir nicht vorwerfen muss, ich hab es zu wenig versucht”, sagte Merkel zu der Frage, inwieweit sie dazu beitragen konnte, eine Eskalation mit Russland zu verhindern. “Ich habe es glücklicherweise ausreichend versucht. Es ist eine große Trauer, dass es nicht gelungen ist.”

Merkel verurteilte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erneut scharf. “Das ist ein brutaler, das Völkerrecht missachtender Überfall, für den es keine Entschuldigung gibt”, sagte sie.