228 Seiten lang ist der türkis-grüne Koalitionsvertrag, länger als jedes Regierungsabkommen bisher. Ob alles darin auch wirklich umgesetzt werden wird, ist mehr als fraglich. Anders beim gerade einmal fünf Seiten langen Geheimpapier – unterschrieben von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Dieses ist wesentlich konkreter, und hier wird auch alles umgesetzt – auf Punkt und Beistrich. Das betrifft vor allem die Postenvergabe, etwa im Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof, oder im Bundesfinanzgericht, aber nicht nur dort.

Am Küniglberg und in der Nationalbank wird nichts dem Zufall überlassen

Penibel festgehalten sind etwa die Machverhältnisse im ORF-Stiftungsrat. Fünf Mal liegt das Nominierungsrecht bei der ÖVP, zwei Mal bei den Grünen. Hinzu kommen zwei unabhängige Stiftungsräte auf Vorschlag der ÖVP.

Auch bei den Neubesetzungen in der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) hat die Regierung einiges vor. 2023 wird die ÖVP den Präsidenten und die Grünen den Vizepräsidenten nominieren. Die Verteilung und Nominierung weiterer Mitglieder in den Jahren 2023 und 2024 ist ebenfalls klar festgehalten.

Die Grünen waren bei der Umfärbung bisher ganz besonders schnell (siehe unten).

Bisher sorgte nur der Postenschacher unter Türkis-Blau für mediales Dauerfeuer

Die Postenvergaben unter Türkis-Blau erregen die Öffentlichkeit bis heute, sie waren zigfach schon Thema des Ibiza-Untersuchungsausschusses. Laut war auch das Medienecho auf den am Freitag bekannt gewordenen Sideletter unter Türkis-Blau. Das aktuelle Zusatzpapier weist noch in die Zukunft, interessiert aber zurzeit offensichtlich weniger. Der eXXpress bringt es zur Gänze (siehe unten).

Bei der Nationalratswahl 2019 plakatierten die Grünen: „Wen würde der Anstand wählen?“ Dem Anspruch der Anständigkeit meint Vize-Kanzler Werner Kogler mit diesem Papier auch voll und ganz zu entsprechen. In einer Aussendung rechtfertigt er sich: „Wenn man verhindern will, dass die türkise ÖVP alle Positionen besetzt, braucht man als kleinerer Koalitionspartner eine Vereinbarung, wie die Vorgangsweise ist“. Das halte er auch „für wichtig und notwendig“.

NEOS: „Das genaue Gegenteil von sauberer und anständiger Politik“

NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos sieht in den Sidelettern hingegen „zutiefst ungustiöses Machtdenken“ und „das genaue Gegenteil von sauberer und anständiger Politik“. Hoyos sprach von „Postenschacher in Reinkultur. Österreich leidet schwer an der Krankheit Korruption.“

Die Grünen verwirklichten die Umfärbung bisher in Rekordzeit

Dass gerade die Grünen beim Postenschacher ganz besonders eifrig sind, zeigte der eXXPress bereits im März 2021 auf: In nur 15 Monaten waren sie fast schneller als ihre schwarzen, roten und blauen Vorgänger in früheren Koalitionsregierungen. Binnen kürzester Zeit hatten die Grünen schon damals 13 Top-Jobs in staatsnahen Betrieben und Gesellschaften mit Parteifreunden besetzt – so bekam auch eine grüne Kochbuchautorin einen Aufsichtsrat-Job bei der Brenner-Basistunnel-Baugesellschaft. Der eXXpress brachte damals die Liste der Umfärbungen.