Moskau und Kiew bekämpfen einander nicht nur an der Kriegsfront in der Ukraine. Zwischen den zwei Ländern ist jetzt auch ein Streit um russische Gaslieferungen nach Europa entbrannt.

Die Leidtragenden dieses Zwists könnten jene europäischen Länder sein, die russisches Erdgas über die Ukraine beziehen, auch Österreich. Der russische Gaslieferant Gazprom beschuldigt den ukrainischen Konzern Naftogaz, seine Transitpflichten am Grenzübergangspunkt Sochraniwka nicht zu erfüllen. Gazprom kritisiert, dass seit Mai weniger Gas durch die Ukraine nach Europa geliefert werde.

Für die Ukraine wiederum ist Russland dafür verantwortlich, dass weniger Gas über ukrainisches Territorium in den Westen fließt. Ein Hickhack, das sich schon seit Längerem hinzieht, sind doch beide Seiten in diesem Streit unnachgiebig. Die Situation ist verfahren. Naftogaz hat bei einem Schweizer Schiedsgericht Anfang September sogar Klage eingereicht, um Strafzahlungen von Russland wegen nicht gelieferter Gasmengen zu erhalten.

Gazprom betrachtet Klage von Naftogaz als „unfreundlichen Schritt“

Gazprom lehnt mögliche Strafzahlungen, die vom Schiedsgericht verhängt werden könnten, aber dezidiert ab. Der Konzern sieht sich nicht in der Verantwortung für den Lieferrückgang. Aus Sicht des russischen Unternehmens soll vielmehr Naftogaz dafür bezahlen, dass es die vereinbarten Umfänge nicht durchleitet.

Gazprom sieht die Klage von Naftogaz als „unfreundlichen Schritt“. Der russische Staatskonzern lehnt auch den Gerichtsstandort ab, weil sich die Schweiz den Sanktionen des Westens gegen Russland angeschlossen hat. Sollte Naftogaz das Schiedsgerichtsverfahren nun aber fortsetzen, sähe sich Gazprom zu Sanktionen gegen den ukrainischen Konzern gezwungen. Und dies würde dann zu einem Lieferstopp über die Ukraine führen. Kurz: Es würde kein Gas mehr über ukrainische Pipelines nach Europa fließen.

Österreich wäre einer der größten Leidtragenden des Streits

Ein Wegfall des Transits durch die Ukraine würde die Lage auf dem Energiemarkt in Europa weiter brutal verschärfen, nachdem die Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2 wegen der durch einen Anschlag verursachten Lecks nicht mehr in Betrieb sind.

Besonders aber für Österreich wäre ein faktischer Gaslieferstopp über die Ukraine belastend: Schließlich ist die über ukrainisches Territorium führende Pipeline die letzte Leitung für Österreich, durch die noch Gas direkt zu uns fließt.

Eine Sprecherin der E-Control meint dazu: “Wir müssen jetzt nicht in Panik verfallen, wir haben gute Speicher-Stände. Dass die Lage angespannt bleibt, ist aber klar.”