Seit einer Woche kommen laufend weitere brisante Details über die Wiener Anti-Israel-Demo an die Oberfläche. Nun stellt sich heraus: Nicht nur Repräsentanten linksextremer Organisationen wie der Antiimperialistischen Koordination (AIK) befanden sich auf dem Podium. Auch A.D., gegen den die heimischen Behörden gerade wegen des Verdachts der Terrorfinanzierung und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermitteln, gesellte sich zu den Rednern, wie ein jetzt aufgetauchtes Video belegt.

Die Staatsanwaltschaft Graz sieht den dringenden Verdacht, dass A.D. eine führende Persönlichkeit der Hamas in Europa ist. Im Zuge der “Operation Luxor”, über die der eXXpress schon berichtet hat, wurden Anfang November Hausdurchsuchungen in seiner Wiener Wohnung durchgeführt. Die “Operation Luxor” richtete sich gegen mutmaßliche Muslimbrüder. Die Hamas ist der palästinensische Zweig der Muslimbrüder und wird von der EU als Terrororganisation eingestuft.

An Anti-Israel-Demos nahm A.D. in Wien schon öfters teil. Das Bild stammt aus dem Jahr 2009.Kawther Salam

Die derzeit laufenden Ermittlungen hielten A.D. nicht davon ab, auf der Demo aufzutreten, wenn auch nicht als Redner. In einem Video, das ein Österreich-Korrespondent der türkischen Nachrichtenagentur İhlas Haber Ajansı aufgenommen hat, ist A.D. fast eine Minute lang deutlich hinter einer Rednerin zu sehen (02:05 bis 03:03):

Nicht zum ersten Mal gerät A.D. wegen Terror-Verdachts ins Visier der Behörden. Schon vor etwa 20 Jahren wurde er verdächtigt, Spendengelder für die islamistische Palästinenserorganisation Hamas zu sammeln. Das Verfahren wurde 2005 eingestellt, 2007 neuerlich aufgenommen, um Ende 2008 wieder eingestellt zu werden. Damals versicherte A.D. in einem Interview mit der Antiimperialistischen Koordination (AIK), ausschließlich palästinensische Flüchtlinge im Gazastreifen, der Westbank und im Libanon zu unterstützen. Obwohl die Ermittlungen im Herbst 2007 noch am Laufen waren, wurde A.D. vom damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer (SPÖ) zum Fastenbrechen in der Hofburg empfangen. Ebenso arbeitete A.D. damals als Islamlehrer der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) in Niederösterreich.

Im Jahr 2007 empfing der Bundespräsident Heinz Fischer (zweiter von links) A.D. (r.) zum Fastenbrechen. (Mit im Bild: Der damalige IGGiÖ-Präsident Anas Schakfeh (l.) und der Wiener Landtagsabgeordneter Omar Al-Rawi (SPÖ).G.F.

In einigen heimischen Moscheen kennt man A.D. schon lange. Seit den 1990er Jahren sammelt er dort Spendengelder, zunächst über den im Jahr 1993 gegründeten Verein “Palästinensische Vereinigung in Österreich” (PVÖ), der 2003 auf der Terrorliste des FBI landete, danach über den “Palästinensischen Humanitären Verein in Österreich” (PHV). Die Staatsanwaltschaft Graz sieht heute in den beiden Vereinen “Human Help” und “Rahma Austria” die Nachfolgeorganisationen der PVÖ und des PHV.

Überweisungen an das "Al-Salah Islamic Committee"

Vor 15 Jahren stießen die Behörden in ihren Ermittlungen durchaus auf Belege dafür, dass A.D.’s Vereine Spendengelder an Einrichtungen der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen überwiesen haben, darunter das “Al-Salah Islamic Committee”. Dem US-Finanzministerium zufolge wurde es von der Hamas benützt, “um ihr Terror-Programm zu finanzieren”. Während der ersten Intifada soll Al-Salah Hamas-Kämpfer unterstützt und Jugendliche zum Kampf für die Hamas angeworben haben. Zwei Vereine in Deutschland wurden in den Jahren 2002 und 2004 wegen Überweisungen an solche Einrichtungen verboten, da man bei der Hamas humanitäre Aktivitäten von terroristischen nicht trennen könne, wie der deutsche Bundesgerichtshof feststellte. In Österreich reichte das nicht aus. Um der Terrorismusfinanzierung überführt zu werden, muss man hier dem Verdächtigen nachweisen, dass er von der Verwendung der Gelder für Terrorzwecke gewusst und diese Verwendung auch gewollt hat.

Der Führer der Hamas in Gaza, Ismail Haniyeh, überreicht Adel Abdullah einen hohen Hamas-OrdenCarel Brendel

In den vergangenen Jahren hat A.D. seine Kontakte zu zentralen Persönlichkeiten der terroristischen Hamas nicht (mehr?) unter den Teppich gekehrt. Dass er etwa den Hamas-Führer Ismail Haniyeh persönlich getroffen hat, gibt es sogar auf seinem Facebook-Auftritt preis. Offensichtlich wurde ihm damals eine hohe Auszeichnung (siehe Bild oben) verliehen.

Treffen mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan

Unter dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sind erstmals freundschaftliche Beziehungen zwischen der Terrororganisation Hamas und der Türkei entstanden. So soll die Hamas mittlerweile Güter über die Türkei in den Gazastreifen bringen. Dass auch A.D. den türkischen Präsidenten persönlich getroffen hat, ist kein Geheimnis mehr, wie ebenfalls aus seinem Facebook-Auftritt hervorgeht. Die palästinensisch-stämmige Journalistin Kawther Salam erzählte dem eXXpress, dass A.D. sie 2009 bedroht hat aufgrund ihres kritischen Artikels: “Was würde wohl passieren, wenn ich diesen Artikel übersetzen und dem türkischen Geheimdienst zukommen lasse?”, soll er sie am Telefon gefragt haben.

A.D. ist abseits der Spendensammlungen auch als Organisator sehr umtriebig. 2007 organisierte er das  “Erste Europäische Palästinenser-Jugendlager in Wien”. Längere Zeit, bis Anfang 2021, war er einer der beiden Vorsitzenden der Jahr für Jahr in verschiedenen europäischen Städten stattfindenden “Konferenz der Palästinenser in Europa”. Hauptsponsor der Konferenz ist das in Großbritannien ansässige Palestinian Return Centre (PRC), das Beobachter den Muslimbrüdern beziehungsweise der Hamas zuordnen.

Der eXXpress hat A.D. mit den jetzigen Vorwürfen der Behörden konfrontiert, aber bisher noch keine Antwort erhalten. Die Anti-Israel-Demo, an der A.D. nun teilgenommen hat, führte zu Ermittlungen des Verfassungsschutzes aufgrund der antisemitischen Parolen dort. Ebenso wurde eine verhüllte Drohung gegen alle Juden von Seiten eines Demo-Teilnehmers während eines Interviews bekannt.

Jänner 2012: Eine Begegnung zwischen Hamas-Führer Ismail Haniyeh (l.) und Recep Tayyip Erdogan (r.) im Parlament in AnkaraAPA/AFP/ADEM ALTAN