In der Ukraine findet der größte Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg statt, und nun verkündet Russland ebenfalls zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg eine Teilmobilmachung der seiner. “Putins Ansprache ist eine Eskalation, aber keine Überraschung”, meinte dazu Stoltenberg im Interview. “Deshalb waren wir vorbereitet und bleiben ruhig und unterstützen die Ukraine weiterhin. Seine Rede demonstriert, dass der Krieg nicht gemäß seinem Plänen verläuft. Er machte zu Beginn eine große Fehlkalkulation.”

"Die russischen Soldaten sind schlecht ausgerüstet"

Was die Anzahl der mobilisierten russischen Soldaten betrifft – von 300.000 ist die Rede – ist Soltenberg zurückhaltend. Ihre Aktivierung werde “auf jeden Fall eine gewisse Zeit dauern. Die Soldaten brauchen Ausrüstung, und soweit wir sehen sind sie schlecht ausgerüstet.” Auch ansonsten fehle es den russischen Truppen an vielem, etwa bei der Logistik, angemessener Befehlsgewalt und Kontrolle. Es stehe fest, dass der russische Präsident “eine große Fehlkalkulation” vorgenommen habe. Unbestritten ist aber auch: “Mehr Truppen werden den Krieg eskalieren.”

Die NATO-Botschaft sei: “Wir müssen weiterhin die Ukraine unterstützen und Sanktionen gegen Russland verhängen.” Als durchaus überraschend qualifizierte der NATO-Generalsekretär die Einheit und den Mut der ukrainischen Truppen, überraschend sei aber auch, dass Putin die internationale Gemeinschaft komplett unterschätzt hat. Mehrmals betonte Stoltenberg: “NATO ist nicht Teil des Konflikts, aber wir helfen der Ukraine bei ihrer Verteidigung”.

"NATO war auf diesen Krieg vorbereitet

Zurzeit werde der Kauf von Waffen und ebenso der rege Austausch mit NATO-Partnern intensiviert, ebenso werde die die Waffenproduktion, die Rüstungsindustrie bräuchte Berechenbarkeit.

Jens Stoltenberg (r.) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. "Wir unterstützen die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung", sagt Stoltenberg.JOHN THYS/AFP via Getty Images)

Was die Militärausgaben der NATO-Staaten und ihre Vorbereitung auf diesen Krieg betrifft, unterstrich Stoltenberg: “NATO war vorbereitet, als Russland angriff. Der Krieg begann bereits 2014.” Seit damals hätten die NATO-Verbündete viel investiert.  Allein die Größe der NATO-Bereitschaftsgruppe habe sich verdreifacht, ebenso haben die USA ihre Präsenz in Europa vergrößert. “Vor 2014 sind die Militärbudgets gesunken, nun nähern sich alle.” Ab Herbst 2021 hätten darüber hinaus die Geheimdienste der NATO-Staaten intensiv zusammengearbeitet.

NATO will nicht angreifen: "Bleiben Verteidigungsbündnis"

Auf die Frage eines Zusehers, ob NATO den Krieg weiter eskalieren und vor Ort eingreifen würde, winkte Stoltenberg ab: NATO sei ein Verteidigungsbündnis, dessen Ziel es ist den Frieden zu erhalten. Die NATO greife niemanden an. Wichtig sei die Einheit. “Die Sowjetunion wusste: Ein Angriff auf einen NATO-Verbündeten wird das gesamte Bündnis aktivieren.”

Darüber hinaus versuchte der NATO-Generalsekretär vor allem Zuversicht auszustrahlen. “Gemeinsam haben wir 50 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.” Dass es Meinungsverschiedenheiten zwischen NATO-Staaten gebe, sei nichts Neues und solle nicht überbewertet werden. “Der Erfolg von NATO besteht darin, dass wir trotz dieser Meinungsverschiedenheiten zusammenstehen.”

Kein baldiger Friede

Keineswegs optimistisch ist Stoltenberg aber mit Blick auf eine baldige Verhandlungslösung: “Russland will noch immer Ukraine zerstören. Zurzeit gibt es keine Verhandlungen. Solange Russland nicht die Souveränität der Ukraine anerkennt, ist der einzige Weg, diesen Krieg zu beenden, dass Putin auf dem Schlachtfeld verliert.”

Zu den Erfolgsaussichten meinte Stoltenberg: “Kriege sind von ihrer Natur her nicht vorhersagbar.” Fakt ist: “Die Invasion eines Landes haben wir in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie erlebt.” Die Lektion für Putin und für andere autoritäre Herrscher dürfe nicht sein, dass man damit durchkommt.