Beim NATO-Gipfel in Madrid hat Nehammer, wie angekündigt, am Nachmittag auch Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko und dessen Bruder Wladimir getroffen. Die beiden ehemaligen Box-Champs berichteten dem Kanzler über die derzeitige Lage, vor allem in Kiew, wo am Sonntag sogar russische Raketen niedergegangen waren und ein Kindergarten getroffen wurde.

Österreich wird seine humanitäre Hilfe verstärken. Kiew braucht vor allem Rettungs- und Feuerwehrautos, aber auch Linienbussen.

Nehammer mit Kiews Bürgermeister Vitali KlitschkoAPA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER
Nehammer (M.) verspricht Bürgermeister Vitali Klitschko (r.) und seinem Bruder Wladimir humanitäre Hilfe.APA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER

"Zeitenwende": Mehr Kooperation mit NATO

Für Bundeskanzler Nehammer ist ein NATO-Beitritt Österreichs weiterhin kein Thema. Zwar gebe es eine neue Qualität der Kooperation neutraler oder bündnisfreier Staaten wie Österreich mit der westlichen Verteidigungsallianz, doch stelle eine Mitgliedschaft keine “Variante des Denkens” dar. Das formulierte Nehammer am Mittwoch am Rande des NATO-Gipfels in Madrid. Österreich sei und bleibe neutral, aber ein verlässlicher Partner in Fragen der Sicherheitspolitik.

Dass es am Mittwochabend zu einem “Euroatlantischen Abendessen” kam, zu dem neben Vertretern der NATO-Länder auch bündnisfreie EU-Staaten geladen seien, interpretierte Nehammer als eine “neue Qualität” der Beziehungen und möglicherweise sogar “Zeitenwende” der Kooperation.

Bundeskanzler Nehammer bei einer Pressekonferenz im Rahmen des NATO-Gipfels in MadridAPA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER

Zusammenarbeit mit Türkei verbessert

Weiters stand für den Bundeskanzler am Mittwoch noch ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf dem Programm. Das Meeting sah Nehammer als “Beginn eines entspannteren Verhältnisses” mit dem Präsidenten der Türkei. Das könnte auch dazu führen, dass Ankara künftig nicht mehr die militärische Zusammenarbeit mit Österreich in der Partnerschaft für den Frieden blockiere. Zudem sollte auch der Istanbuler Friedensprozess gefördert werden. Dieser sei aktuell die einzige Plattform, wo die Kriegsparteien Russland und die Ukraine tatsächlich miteinander reden würden.

Konkret gehe es vor allem darum, dass mit Hilfe der Türkei “grüne Korridore” zum Export von Mais, Weizen oder Getreide aus der Ukraine geschaffen werden könnte. Es handle sich immerhin um Mengen in der Größenordnung von 90 Millionen Tonnen, die etwa in Afrika dringend benötigt würden, erinnerte Nehammer. So sei die Ukraine bereit, den Hafen von Odessa von Minen zu räumen, um Exporte zu ermöglichen. Aber nur, wenn Russland garantiere, dies nicht für eine Eroberung der Hafenstadt am Schwarzen Meer zu nutzen. Die von beiden Seiten als Partnerin akzeptierte Türkei könnte diese Sicherheitsgarantieren überwachen und auch umsetzen.

Gespräch mit Frankreich und Deutschland

Er habe in den vergangenen Wochen wie etwa auch die Regierungschefs von Frankreich oder Deutschland Gespräche mit allen Seiten geführt, erklärte Nehammer. Es handle sich dabei um “Puzzlesteine zum Aufbau einer Dialogbrücke”, formulierte der Bundeskanzler. Er sei aber nicht so naiv oder selbstüberschätzend zu glauben, dass ein einziger Meinungsaustausch eine solche Krise lösen könne. “Aber alles ist besser, als gar nichts zu tun”, so Nehammer, dessen Rückflug nach Wien noch für die Nacht auf Donnerstag geplant war.