Die Politik schaltete sich bereits ein: Harris, “Vize” des US-Präsidenten Joe Biden, rief dazu auf, für die Rechte der Frauen zu kämpfen. Im Bundesstaat Oklahoma unterzeichnete der republikanische Gouverneur unterdessen ein Gesetz zur drastischen Verschärfung der Abtreibungsregelungen.

Am Montagabend hatte das Magazin “Politico” den Entwurf einer Urteilsbegründung des Obersten US-Gerichts veröffentlicht, wonach das Abtreibungsrecht des Landes gekippt werden soll. Der Supreme Court hat demnach vor, das Urteil “Roe v. Wade” zu kippen, dem zufolge das Recht auf Abtreibung aus dem 14. Verfassungszusatz und dem Schutz der Privatsphäre abgeleitet werden kann.

Mysteriöser Leak

Das Dokument löste in der Regierung des demokratischen US-Präsidenten Joe Biden und unter Demokratenheftige Empörung aus. Der Supreme Court bestätigte zwar die Authentizität des Entwurfs, betonte aber, dass es sich weder um die finale Entscheidung noch um die endgültige Position irgendeines Richters handle.

Vizepräsidentin Kamala Harris (Demokraten) fordert ebenfalls zu Protesten aufApa

Mit einer endgültigen Entscheidung des Gerichts wird in den kommenden zwei Monaten gerechnet. Es wurde zudem eine Untersuchung eingeleitet, um herauszufinden, wie der Entwurf an die Öffentlichkeit gelangt ist. “Dies war ein einzigartiger und ungeheuerlicher Vertrauensbruch, der einen Affront gegen den Gerichtshof und die hier arbeitenden Staatsdiener darstellt”, kritisierte der Vorsitzende Richter John Roberts.

Demonstrationen zumeist noch friedlich

Es droht eine Protestwelle – und eine weitere Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft. In Los Angeles hätten zunächst rund 250 Menschen friedlich vor einem Gerichtsgebäude in der Innenstadt protestiert, teilte die Polizei mit. Dann habe eine Gruppe aber eine Kreuzung besetzt. Bei dem Versuch, die Straße zu räumen, seien Steine und Flaschen auf die Einsatzkräfte geworfen und ein Beamter verletzt worden. Die Polizei in der gesamten Stadt wurde in erhöhte Bereitschaft versetzt, wie es weiter hieß. Medienberichten zufolge setzten die Beamten nahe dem Pershing Square Schlagstöcke gegen einige der Demonstranten ein. Festnahmen habe es zunächst nicht gegeben.

Spitze des Eisbergs steht wohl noch bevor

Proteste wurden auch aus anderen Städten wie Washington, Atlanta, Austin, San Francisco und New York gemeldet. In Manhattan kamen Tausende Menschen am Foley Square zusammen. Die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James machte bei der Kundgebung publik, dass sie selbst ihr Kind vor rund 20 Jahren abgetrieben habe. Auf Plakaten stand unter anderem “Frauenfeindlichkeit tötet mehr Menschen als Abtreibung” oder “Stoppt den Krieg gegen Frauen”.

Beobachter gehen davon aus, dass dies nur Stein des Anstoßes war – und die Protestwelle auch Ausmaße wie im Falle des getöteten Afroamerikaners George Floyd im Jahr 2020 erreichen könnte.