Eine deutsche Studie belegt: Die meisten Neuinfektionen gehen von ungeimpften Menschen aus, obwohl sie nur ein Drittel der Bürger ausmachen. Demnach ist an acht bis neun von zehn Infektionen mindestens ein Ungeimpfter beteiligt. Nur eine von zehn Neuinfektionen findet zwischen zwei Geimpften statt.

Geimpfte sind aus mehreren Gründen weniger ansteckend

Geimpfte geben das Virus aus mehreren Gründen seltener weiter als Ungeimpfte: Sie erkranken seltener als Ungeimpfte – nur 30 bis 40 Prozent der Geimpften stecken sich wieder an –, sie sind darüber hinaus weniger ansteckend und vor allem kürzer ansteckend – nur drei statt sieben Tage lang. Da allerdings die Infektionsketten nicht mehr systematisch nachverfolgt werden, ist bei neuen Infektionen nicht mehr gewiss, ob sie auf einen Kontakt mit einem Geimpften oder Ungeimpften zurückgehen. Um hier dennoch zu einer Einschätzung zu gelangen haben Forscher rund um Dirk Brockmann von der Humboldt-Universität Berlin die Ausbreitung des Coronavirus in der deutschen Bevölkerung simuliert.

Das Ergebnis: Ungeimpfte treiben die Infektionen maßgeblich voran, obwohl sie mittlerweile eine Minderheit sind. Bei neun von zehn Neuinfektionen war hingegen ein Ungeimpfter beteiligt – und zwar meist als jener, von dem die Ansteckung ausgegangen ist. Neuinfektionen zwischen zwei Geimpften sind die Ausnahme.

Zwei Szenarien wurden von Forschern simuliert

Die Forscher haben das Infektionsgeschehen in Deutschland in der Zeitspanne 11. Oktober bis 4. November 2021 simuliert, in einer Zeit, als die bundesweite Inzidenz bereits stark zu steigen begann. Die Forschergruppe simulierte zwei Szenarien. Dabei nahmen sie eine je unterschiedlich starke Wirksamkeit der Impfung gegen eine Infektion an. Denn je besser die Impfung vor einer Infektion schützt, desto besser bremst sie die Ausbreitung des Virus ein.

Im ersten Szenario schätzten die Forscher die Wirksamkeit der Impfung auf 92 bis 72 Prozent – je nach Altersgruppe – im zweiten Szenario schätzten sie ihre Wirksamkeit auf nur 60 bis 50 Prozent. In beiden Szenarien gibt es kaum Ansteckungen unter Geimpften.

Ungeimpfte verursachen am meisten Neuinfektionen

Das “zuversichtlichere” erste Szenario stimmt mit dem tatsächlichen Infektionsgeschehen in Deutschland überein, unterstreichen die Wissenschaftler. Hier kommt man auf etwas mehr Impfdurchbrüche, als tatsächlich in Deutschland gemeldet wurden. Doch selbst bei einer deutlich geringen Impfeffektivität wie in Szenario 2 finden nur 16 von 100 Infektionen unter Geimpften statt. Im ersten Szenario waren Ungeimpfte in 91,1 Prozent des Infektionsgeschehens involviert – sprich: in neun von zehn Fällen – im zweiten Szenario in 84 Prozent, also in mehr als acht von zehn Fällen.

Das Ergebnis der Studie: 76 Prozent (Szenario 1) beziehungsweise 67 Prozent (Szenario 2) der Neuinfektionen werden von Ungeimpften verursacht

Weniger Kontakte unter Ungeimpften würden Ausbreitung senken

Ungeklärt ist der Einfluss ungeimpfter Kinder und Jugendlicher. Sollten sie weniger ansteckend sein als Erwachsene, gelangt man bei ihnen zum selben Ergebnis. Falls sie aber das Virus genau so schnell weitergeben wie Erwachsene, treibt die Gruppe der jungen Ungeimpften das Infektionsgeschehen noch einmal deutlich stärker voran. Ungeimpfte Kinder und Jugendliche verursachen dann mehr als 80 beziehungsweise mehr als 75 Prozent der Neuinfektionen.

Falls Geimpfte und Ungeimpfte eher unter sich bleiben, treiben die Ungeimpften die Infektionsdynamik sogar noch stärker voran, als die beiden Szenarien annehmen. Deshalb empfiehlt das Forscherteam eine Reduktion der Kontakte zwischen Ungeimpften. Selbst eine Reduktion um ein Viertel würde zu einem ein langsames Abflauen der Inzidenzen führen. Dann könnte die geimpfte Bevölkerungsmehrheit auf weitere Einschränkungen verzichten.