Matt Taibbi ist einer von ein paar ausgewählten Journalisten, denen der neue Twitter-CEO Elon Musk Einblick in interne Twitter-Dokumente gegeben hat. Die jüngsten Funde enthüllen vor allem, wie Twitter – gegen den Willen der Betreiber – dazu gebracht wurde, sich den Geheimdiensten zu öffnen. Gleichzeitig zeigen die Dateien, wie die Demokraten in den USA die Erzählung etabliert haben, Russland habe sich in die Präsidentenwahlen 2016 eingemischt. In Wahrheit hatten sie dafür kaum Belege, wie sich nun zeigt.

Darüber hinaus dokumentiert diese neue Folge von Elon Musks „Twitter Files“ was für eine „PR-Krise“ Twitter im Jahr 2017 durchgemacht hat. Die Demokraten übten massiven Druck auf den Tech-Giganten aus und warfen ihm Untätigkeit bei der Untersuchung der russischen Einflussnahme auf die Plattform vor. Facebook wurde hingegen gelobt, weil es nach der Präsidentschaftswahl 2016 verdächtige ausländische Konten öffentlich gelöscht hatte.

Ex-Außenministerin Hillary Clinton, die Donald Trump bei den US-Wahlen 2016 unterlag, erhöhte im Sommer 2017 den Druck auf Twitter massiv.APA/AFP/ANGELA WEISS

Twitter sah keine Gefahr

Die Entstehungsgeschichte: Es begann im August 2017, nachdem Facebook 300 Konten mit „vermuteter russischer Herkunft“ gesperrt hat. Seit damals wurde der Narrativ aufgebaut. Russland habe die US-Wahlen über soziale Medien beeinflusst. Zunächst stand nur Facebook im Mittelpunkt. Interne E-Mails zeigen sogar: Twitter war sich zunächst so sicher, dass es nicht von russischen Konten betroffen war, dass es Anfragen einfach an Facebook weiterleitete.

„Twitter steht im Moment nicht im Mittelpunkt der Ermittlungen zur russischen Einmischung in die Wahlen – das Rampenlicht liegt auf Facebook“, sagte Colin Crowell, Twitter-Vizepräsident für öffentliche Politik.

Colin Crowell von Twitter sah zunächst keine Bedrohung – weder von Russland, noch für Twitter.

Kritik an Twitter wegen unzureichender Kooperation

Im Folgemonat führte Twitter eine Routineüberprüfung von 2700 verdächtigen Konten durch. In dieser Gruppe wurden nur 22 mögliche russische Konten und 179 andere Konten gefunden, die möglicherweise mit ihnen in Verbindung stehen. Doch es war alles, was die Politik brauchte, um aus dem Facebook-Problem ein Twitter-Problem zu machen.

Der Senator von Virginia Mark Warner von der Demokratischen Partei war wütend. Twitter sei „offen gesagt auf jeder Ebene unzureichend“, sagte er. Hillary Clinton erklärte: „Es ist an der Zeit, dass Twitter aufhört zu zögern und sich der Tatsache stellt, dass seine Plattform als Werkzeug für die Cyberkriegsführung genutzt wird.“

Senator Mark Warner von den Demokraten attackiert Twitter frontal.APA/AFP/SAUL LOEB

Twitter wird als Desinformationsplattform diffamiert

Twitter hatte damals permanent schlechte Presse. Unter dem steigenden politischen und medialen Druck gründete Twitter eine Russland-Taskforce, um die Vorfälle zu untersuchen. Aber selbst dann fand sie „keine Beweise für ein koordiniertes Vorgehen“ mit nur 15 risikoreichen Konten, von denen zwei zur russischen Medienorganisation RT gehörten.

Doch das Fehlen von Beweisen verschlimmerte die Angriffe auf Twitter nur noch. Der Kongress drohte mit schärferen Gesetzen und nannte Twitter eine „effektive Desinformationsplattform“. Twitter gelobte, mit dem Kongress zusammenzuarbeiten, um politische Werbung einzuschränken.

Am Schluss gab Twitter nach

Der Senat hatte somit schließlich ein Rezept gefunden, um Twitter in die Knie zu zwingen. Er drohte Twitter mit schärferen Gesetzen. Darüber hinaus wurden falsch dargestellte Informationen an die Presse weitergegeben. Fortan musste Twitter staatlichen Organisationen erlauben, Konten zu moderieren. Darüber hinaus durfte die Politik bei Twitter persönlich um die Sperrung von Konten bitten.

Die Regierung nutzte die aufgeblähte Cyberbedrohung aus Russland, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Es hatte nicht annähernd genug Konten mit Verbindungen zu Russland gegeben, um die US-Präsidentschaftswahlen 2016 zu beeinflussen. Aber es waren genug, damit das FBI, die CIA und der Senat beginnen konnten, die Kontrolle zu übernehmen. Schließlich ging es so weit, dass der Abgeordnete Adam Schiff von der Demokratischen Partei Twitter über Konten informierte, die er persönlich gesperrt haben wollte.

Twitter versuchte sich zu wehren – das belegen die Dokumente – knickte aber letztlich ein. So konnte der Staat eine Art Überwachung einrichten. Gelungen war das alles mit dem Gespenst einer russischen Cyberbedrohung.