Im Schlussteil ihrer umstrittenen Doktorarbeit zieht Justizministerin Alma Zadic drei Schlussfolgerungen aus ihren Ausführungen. Am Ende soll ein Doktorand nämlich beweisen: Er ist fähig, selbständig eigene Schlüsse zu ziehen. Der Haken bei Zadic: Ihre drei Schlüsse befinden sich bereits in einer neun Jahre zuvor publizierten Arbeit der US-Rechtswissenschaftlers William W. Burke-White von der Universität von Pennsylvania Carey Law School. Das ist gravierend: Dass Zadic in ihrer Dissertation systematisch falsch zitiert, hat der eXXpress bereits in der vorigen Woche aufgezeigt. Doch diese Entdeckung hat eine neue Dimension, denn es geht nun um Plagiate im Schlüsselteil ihrer wissenschaftlichen Arbeit.

Mit der Entdeckung des eXXpress konfrontiert, ändert Plagiatsforscher Stefan Weber seine bisherige Einschätzung und spricht nun von einem klaren Fall von Plagiat, und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht. Auch andere sind vor den Kopf gestoßen. Eine Anfrage an Zadic blieb bisher unbeantwortet.

Zadic nennt ihre Quelle nicht

Die gesamte Dissertation ist nicht nur gespickt mit nicht korrekt gekennzeichneten Zitaten, die Justizministerin konnte auch zusammenfassend keine selbständigen Schlüsse daraus ziehen. Es liegt ein Plagiat in zweifacher Hinsicht vor:

Erstens stammen die Schlüsse von einem US-Wissenschaftler. Dabei erwähnt Zadic das Original weder in ihrer ersten, noch in ihrer dritten Schlussfolgerung. Es handelt sich um eine Arbeit von William W. Burke-White aus dem Jahr 2008 über den “innerstaatlichen Einfluss von internationalen Straftribunalen”. Zadic verweist einzig in der zweiten Schlussfolgerung auf ihre Quelle, allerdings auf die falsche Seite. So wurde das Plagiat offensichtlich verschleiert. Aber das ist noch nicht alles.

Auch Satzpassagen wurden übernommen

Bei der dritten Schlussfolgerung liegt auch ein Text-Plagiat vor, also die wortidente Übernahme von Satzbauteilen. Im Original steht – ins Deutsche übersetzt:

“Drittens ist die Gestaltung des Rechtsprechungsverhältnisses zwischen nationalen und internationalen Gerichten ein Schlüsselfaktor zur Erklärung der unterschiedlichen Richtung und Intensität des Einflusses eines internationalen Strafgerichtshofs auf nationale Institutionen.”

In den Worten von Zadic: “Drittens können die Rechtsprechungsbeziehungen zwischen nationalen und internationalen Gerichten und Akteuren den Einfluss internationaler Strafgerichte auf nationale Institutionen erklären.”

Stefan Weber, dem der eXXpress die Passage vorgelegt hat, kennzeichnete die entsprechenden Plagiate:

Verstoß gegen das Universitätsgesetz

Der Satz von Zadic ist darüber hinaus nicht in korrektem Englisch verfasst (“are can”). Weber ist bei der Conclusio noch auf zwei weitere solche Text-Plagiate gestoßen. Gegenüber dem eXXpress unterstreicht er: “Das sind nun Funde einer neuen Qualität und klare Text- und Ideenplagiate nach dem Universitätsgesetz. Es bewahrheitet sich wieder einmal: Erstfunde weisen auf mehr Funde und im Fall der Dissertation von Frau Zadic auch auf Funde anderer Qualität hin. Daher stimme ich nun Kollegen Theisen zu, der bereits in der vorigen Woche von Plagiaten gesprochen hat.“

Seit 2015 steht im Universitätsgesetz unmissverständlich: “Ein Plagiat liegt jedenfalls dann vor, wenn Texte, Inhalte oder Ideen übernommen und als eigene ausgegeben werden.” Das umfasse insbesondere auch die “paraphrasierte … Übernahme ohne entsprechende Kenntlichmachung und Zitierung der Quelle und der Urheberin oder des Urhebers.“

"An Dreistigkeit kaum zu überbieten"

Ein renommierter österreichischer Rechtswissenschaftler, der zurzeit nicht namentlich genannt werden möchte, meint bezüglich der neuen Funde: “Welchen Wert hat dann diese Dissertation noch? Selbst wenn nicht gründlich zitiert wurde, muss man am Ende zumindest zu einer eigenen, selbstständigen Schlussfolgerung gelangen. Was hier vorliegt, ist eine extreme Situation. Hier müsste die Universität in die Pflicht genommen werden.“

Im Falle eines Plagiats am Ende steht für den Forscher fest: “Ein Plagiat bei der Conclusio ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. So dreist gehen die wenigsten vor. Das wäre ein Affront gegenüber der Universität und der Wissenschaft. Das entwertet das gesamte wissenschaftliche Arbeiten. In diesem Fall muss die Universität handeln. Das geht über die ‚Normalfälle‘ schlechter wissenschaftlicher Praxis hinaus. So etwas ist mir noch nie untergekommen.”

Widerspruch zu den Regeln wissenschaftlicher Praxis

Mit der in der vorigen Woche aufgedeckten falschen Zitierweise hat sich der Wissenschaftler bereits befasst. “Bereits die ersten Analysen belegen: Hier wurden die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis verletzt. Das lässt sich objektiv kaum leugnen. Die Regeln der Wissenschaft sind international, so wie die Wissenschaft selbst. Die Berufung der Justizministerin auf Zitierregeln des Harvard Bluebooks helfen nicht, denn gerade diese wurden hier in zentralen Bereichen nicht beachtet.”

Es könnte durchaus sein, “dass hier kein Unrechtsbewusstsein gegeben war, dass die Autorin sogar der Überzeugung war, dass dies wissenschaftlich korrekt sei. Eine Verschleierung ‘in gutem Glauben’ also.” Sie hat einfach “neue Wort- und Satzteile eingefügt. Das Dramatische: Diese Satzeile passen nicht immer in die englische Syntax, der Satz ergibt keinen Sinn mehr.” Und: “Übernahmen werden nicht ‘geheilt’, wenn sie nicht mehr auf Anhieb erkennbar sind – und das muss einmal offen festgehalten werden.”