Christian Ortner: Social Media verbieten, keine gute Idee
Dass Grüne sozusagen genetisch darauf programmiert sind, jedes tatsächliche oder auch nur vermeintliche Problem mit einem – erraten – Verbot lösen zu wollen, ist erstens ein Faktum und zweitens meistens Ursache weiterer, meist noch schlimmerer Probleme. Der große österreichische Ökonom Ludwig von Mises hat das die »Interventionsspirale« genannt, weil jede misslungene Einmischung der Regierung immer weitere Vorschriften, Einschränkungen und Verbote nach sich zieht, bis am Ende überhaupt nichts mehr funktioniert.
Asoziale soziale Medien
Das gilt natürlich auch für die vielen Probleme, die zugegebenermaßen durch die sogenannten sozialen, tatsächlich aber sehr oft höchst asozialen »sozialen Medien« entstanden sind, von der Verbreitung von Fake News und den damit verbundenen negativen Folgen für das Funktionieren von Demokratie über die systematische Verblödung vor allem junger Menschen bis hin zur Radikalisierung jugendlicher Muslime, die dann im Extremfall zu Killern programmiert werden.
Die Probleme sind evident, ihre Lösung leider nicht, denn grundsätzlich ist ein globaler digitaler Marktplatz, auf dem sich Menschen miteinander verbinden, Ideen und Meinungen austauschen, auch miteinander streiten oder sich organisieren können, ja durchaus begrüßenswert als zusätzliches Stück Freiheit der Meinung.
Wie also kann es gelingen, möglichst viel von diesem Nutzen zu erhalten und trotzdem die Radikalisierung potenzieller Terroristen hintanzuhalten oder möglichst ganz zu verhindern?
Darüber wird derzeit in der ganzen Welt ernsthaft diskutiert, werden die pro und contra abgewogen.
Notfalls zusperren
Eine sehr einfache Antwort kam hingegen, wie nicht anders zu erwarten, von den deutschen Grünen. Deren einflussreicher Bundestagabgeordnete Anton Hofreiter verlangt nämlich nicht nur, dass die Betreiber der sozialen Medien stärker darauf achten sollen, wer da was ins Netz stellt, sondern fordert – erraten – in letzter Konsequent ein Verbot von Plattformen, die nicht ausreichend mit der Regierung kooperieren. Online-Netzwerke, die sich »der Durchsetzung von Recht und Gesetz verweigerten«, müssten zur Rechenschaft gezogen »und notfalls gesperrt werden«, forderte Hofreiter laut einem Bericht der Welt.
Polizei statt Verbot
Ich halte das für eine sehr, sehr problematische Haltung, wenn sie auch für einen Grünen wenig überraschend daherkommt. Natürlich stimmt vorerst einmal, dass der Staat nicht tatenlos zuschauen darf, wenn Hassprediger junge Menschen zu Terroristen machen. Insofern besteht durchaus akuter Handlungsbedarf.
Deshalb sollte natürlich die Polizei – auch in Österreich – die rechtliche Möglichkeit haben, mit richterlicher Genehmigung Chatverläufe von potenziellen Gefährdern mitzulesen, um rechtzeitig einzugreifen, geht bei Telefonaten ja auch. Deshalb wäre es auch vernünftig, dass die User von sozialen Medien den Betreibern gegenüber ihre Identität offenlegen müssen, im Netz aber weiterhin anonym unterwegs sein dürfen. Auch eine beliebige Sim-Karte fürs Handy kann ich ja nur gegen Vorzeigen eines Ausweises kaufen.
Und ja, deshalb sollten auch die Betreiber der Plattformen angehalten werden, bei der Durchsetzung des Rechts und des Gesetzes besser zu kooperieren, als das bisher der Fall war, kein Problem. Notfalls auch unter Androhung ordentlicher Geldstrafen.
Nur: Eine Plattform einfach zu verbieten und etwa innerhalb der EU komplett abzudrehen, ist eine völlig unverhältnismäßige, überzogene und die Meinungsfreiheit von Millionen von Bürgern brutal einschränkende Maßnahme und daher keine schlaue Idee.
Alle gegen X
Leider weht der Zeitgeist gerade der Meinungsfreit kalt ins Gesicht. In der EU etwa wird gegen X ermittelt wegen der angeblichen Verbreitung falscher Informationen und rassistischen Inhalten. Beides ist natürlich strikt abzulehnen, sollte aber kein wirklicher Grund sein, rechtlich gegen die Plattform vorzugehen. Da liegt schon ein Hauch von Zensur in der Luft.
Noch mehr übrigens in Brasilien, wo der Staat X vor Wochen einfach abgeschaltet hat und jeden Bürger mit hohen Strafen bedroht, der versucht, über technische Umwege die Plattform doch zu nutzen. Ursache dieses landesweiten Verbots der Plattform war deren Weigerung, einzelne Accounts lokaler Politiker zu sperren – kein wirklicher Beitrag zur Meinungsfreiheit in dem südamerikanischen Land.
Einen Vorwand gibt es immer
Diese Meinungsfreiheit ist, auch wenn das ein wenig pathetisch klingen mag, eines der höchsten Güter, das wir der Aufklärung verdanken. Sie ist Grundlage unseres politischen Betriebssystems und deswegen vor allen Angriffen, woher sie auch kommen, konsequent und kompromisslos zu schützen.
Wenn wir sie hingegen heute unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung opfern, wird sie morgen wegen des Kampfes gegen den Klimawandel zurückgedrängt werden und übermorgen wegen der Notwendigkeit, das Wahre, Gute und Schöne zu verteidigen. In so einer Welt will man freilich eher nicht aufwachen.
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