Seychellen: Urlaubsparadies mit höchster Impfquote der Welt hat so hohe Infektionszahlen wie noch nie
Im globalen Impf-Wettlauf haben die Seychellen die Nase ganz vorn, eine Rückkehr ins “normale” Leben schien schneller und sicherer möglich, als kaum an einem anderen Ort der Welt – doch trotz einer Durchimpfungsrate von über 60 Prozent der Bevölkerung schnellen die Infektionszahlen auf dem paradiesischen Inselstaat plötzlich wieder extrem in die Höhe. Warum?
Während sich in Österreich dieser Tage die Stimmung durch sommerliche Temperaturen und erfreuliche Entwicklungen stetig hebt, steckt ein Ort, der uns allen in Sachen Impfturbo schon um einiges voraus ist, gerade mitten in einem heftigen Corona-Schock: Die Seychellen verzeichnen nämlich in den letzten drei Wochen den heftigsten Anstieg an Covid-19-Infektionszahlen seit Ausbruch der Pandemie.
Und das, obwohl das Urlaubsparadies mit der höchsten Durchimpfungsrate der Welt – sogar noch höher als Israel – aufwarten kann. Über 60 Prozent der Bevölkerung des Inselstaats sind bereits vollständig immunisiert, und dennoch sind die Coronazahlen so hoch wie nie, die Regierung des Kleinstaats ist gezwungen, neue Einschränkungen des öffentlichen Lebens einzuführen. Wie kann das sein?
Spitäler nur drei Wochen nach Anstieg an Kapazitätsgrenze
Wie die Gesundheitsministerin der Seychellen, Peggy Vidot, bekannt gab, stiegen die Neuinfektionen mit Covid-19 auf dem Inselstaat in vergangenen vier Wochen eklatant an. Zwischenzeitlich waren in dem 100 000-Einwohner-Kleinstaat im indischen Ozean insgesamt 500 Neuinfektionen in nur drei Tagen registriert worden. Vidot sprach von einer “sehr ernsten Situation” und warnte, dass das grösste Spital des Landes bereits an seine Kapazitätsgrenze gelangt und man nun daran arbeite, die Zahl der Krankenbetten kurzfristig zu erhöhen.
Corona-Schock kurz vor Erreichen der Herdenimmunität
In der Folge mussten die Seychellen, die hauptsächlich vom Tourismus leben und eigentlich mit “Coronafreiheit” um Touristen werben wollten, nun wieder starke Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Bekämpfung des Coronavirus einführen. Ein schwerer sozialer, aber auch schlimmer wirtschaftlicher Schock für das Land, das eigentlich kurz vor dem Erreichen der Herdeinimmunität stand und mit über 60 Prozent Durchimpfungsrate sogar Israel (dessen Impfquote lag in der Kalenderwoche 16 bei etwa 58 Prozent) überholt hatte.
Die große Frage nach dem Warum
Diese dramatischen Entwicklungen der letzten Wochen haben die Seychellen sehr schwer und völlig überraschend getroffen. Doch inmitten all der schnellen Reaktionen, um dem heftigen Anstieg der Zahlen Herr zu werden, stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Warum: Wie konnte es dazu kommen, dass trotz einer so hohen- und vollständigen – Durchimpfungsrate die Zahlen so hoch klettern wie nie?
Einerseits sucht und findet die Regierung der Seychellen hier einen Fehler bei sich selbst: Man habe die Maßnahmen womöglich zu früh gelockert. Rund um Ostern war es zu den ersten großen Öffnungsschritten gekommen – ein Zeitpunkt an dem. viele Menschen erst die erste Teilimpfung erhalten hatten. Durch vermehrte Treffen im privaten Bereich soll es hier zu einer Bildung möglicher Hotspots gekommen sein. Aber dass es nur daran liegt, scheint unwahrscheinlich – nun tut sich auch ein großes Fragezeichen hinsichtlich der tatsächlichen Wirksamkeit der auf dem Inselstaat verabreichten Impfstoffe auf.
Wie wirksam sind die Impfstoffe wirklich?
Denn nach Informationen der lokalen Gesundheitsbehörden kann eine frühzeitig erfolgte Lockerung nicht allein Schuld am plötzlichen Infektionsdilemma sein, da beträchtliche 35 Prozent der Personen, die sich zuletzt mit dem Virus infizierten, zum Zeitpunkt der Ansteckung mit Covid-19 bereits zwei Impfdosen erhalten hatten und damit zum Zeitpunkt der Ansteckung als vollständig geimpft galten. Liegt es also am Impfstoff?
Ein Blick auf die verabreichten Vakzine zeigt, dass auf den Seychellen nur zwei Vakzine zum Einsatz kamen:Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg wurde bis Mitte April bei rund 60 Prozent der Injektionen der chinesische Impfstoff Sinopharm verwendet, beim Rest jener von AstraZeneca.
Den Sinopharm-Impfstoff erhielten die Seychellen als Spende der Vereinigten Arabischen Emirate und ist laut Herstellerangaben zu 79 Prozent wirksam – doch hier gibt es ein großes “Aber”: Die veröffentlichten Daten zum chinesischen Vakzin sind im Vergleich zu anderen Impfstoffen bislang äußerst dürftig, weshalb sich zu dessen Wirksamkeit hier einige Zweifel auftun. Jene 40 Länder, die den Impfstoff bisher zugelassen haben, sind fast ausschliesslich Entwicklungsländer und das Vakzin wurde lange Zeit nicht von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugelassen – erst am vergangenen Freitag, dem 7. Mai 2021, erteilte die WHO Sinopharm eine Notzulassung. In Europa darf der Impfstoff bisher nur in Ungarn, Serbien und Weissrussland verwendet werden.
Ist die Südafrikanische Mutation Schuld?
Ein großes Fragezeichen stellt zudem die südafrikanische Mutation des Coronavirus dar. Denn es gibt noch keinerlei fundiertes Wissen darüber, wie wirksam die verwendeten Impfstoffe gegen die B.1.351-Mutation sind. Die südafrikanische Mutation des Virus wurde bereits im Februar auf den Seychellen identifiziert und wird hinter dem jüngsten Anstieg der Fallzahlen vermutet.
Studien mit dem Impfstoff von AstraZeneca in Südafrika hatten bereits im März darauf hingedeutet, dass die Wirksamkeit des wohl aktuell umstrittensten aller Impfstoffe gegen die dort dominante Virusvariation deutlich eingeschränkt war. In der Folge hatte Südafrika seine bereits bestellten AstraZeneca-Impfdosen wieder verkauft.
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