Als Robert Prevost nach seiner Wahl den Namen Leo XIV. wählte, wurde hellhörig, wer Kirchengeschichte kennt: Der letzte Papst mit diesem Namen, Leo XIII., starb 1903 – er war der große Vordenker der katholischen Soziallehre. Noch weiter zurück: Leo I., der „Große“, war im 5. Jahrhundert der Papst, der Rom vor dem Hunnensturm rettete und für kirchliche Einheit stand.

Mit dieser Namenswahl knüpft Leo XIV. also bewusst an Gestalten der Stärke, des Ausgleichs und der sozialen Verantwortung an. Ein Papstname als Brücke zwischen Lehre und Welt, zwischen Tradition und Gegenwart.

September 2023: Papst Franziskus erhebt Robert Prevost zum Kardinal – knapp zwei Jahre später wird er als Leo XIV. sein Nachfolger. APA/AFP/Tiziana FABI

Zwei Amerikas, eine Weltkirche

Prevost bringt etwas mit, das kaum ein Papst vor ihm vereinte: Zwei kulturelle Heimaten. Geboren in Chicago, lebte und wirkte er fast 30 Jahre in Peru, wurde sogar peruanischer Staatsbürger. Er kennt die „Kirche der Armen“, aber auch die Dynamik der reichen westlichen Welt. Für viele Katholiken – besonders im globalen Süden – ist er einer der Ihren.

Diese doppelte Verwurzelung verleiht seinem Pontifikat von Beginn an Glaubwürdigkeit in beiden Hemisphären – und macht ihn zum Symbol einer wahrhaft globalen Kirche, die nicht in Rom endet, sondern in Afrika, Asien und Lateinamerika weiterwächst.

Gänsehautmoment auf dem Petersplatz: Tausende blicken auf Papst Leo XIV., als er sich am 8. Mai 2025 erstmals der Welt zeigt.APA/AFP/Dimitar DILKOFF

Wegbereiter der Kontinuität

Seine Wahl schon im vierten Wahlgang zeigt: Im Kardinalskollegium gab es keine Lagerkämpfe – sondern einen klaren Wunsch nach Verlässlichkeit ohne Stillstand. Prevost bringt alles mit, was ein Papst braucht: Ordensmann, Kurienkenner, Seelsorger, Diplomat, dazu ein weltumspannendes Netzwerk aus seiner Zeit als Präfekt des Bischofsdikasteriums.

Er wird den Kurs von Franziskus nicht auf den Kopf stellen – aber wohl neu ausbalancieren. Weniger revolutionär, aber dialogbereit. Weniger impulsiv, aber strategisch. Die Hoffnung vieler: Leo XIV. könnte zum versöhnenden Papst werden, der eine gespaltene Kirche wieder zusammenführt.

Ein starkes Mandat – und ein neues Kapitel

Die Wahl Leo XIV. ist ein Wendepunkt – nicht, weil er aus einem bestimmten Land stammt, sondern weil er mehrere Kulturen verkörpert, viele Sprachen spricht und das Zentrum der Kirche in die Weite denkt.

Er steht für eine Kirche, die nicht mehr westlich dominiert, sondern von der Peripherie her atmet. Und für ein Papsttum, das nicht mit Schlagzeilen regiert, sondern mit Substanz, Weltblick und dem Mut zum Zuhören.