Den Terrorvorwürfen der Staatsanwaltschaft wollte sich Muhannad Z. (50) im Grazer Straflandesgericht lieber nicht stellen. Als ihn das Oberlandesgericht aus der Untersuchungshaft entließ, nutzte er die Gelegenheit und floh zurück nach Syrien, in sein Herkunftsland, das er vor zehn Jahren verlassen hatte – angeblich wegen politischer Verfolgung. Zumindest hatte er mit dieser Begründung 2016 Asyl erhalten. Doch nun scheint er sich dort sicherer zu fühlen als in Österreich.

Auf seiner Facebook-Seite ist Muhannad Z. nach zweieinhalb Jahren Pause wieder hochaktiv. Seit Ende Jänner postet er eifrig Videos, etwa aus der Umayyaden-Moschee in Damaskus.

Erst floh Muhannad aus Syrien, nun wieder aus Österreich und zeigt sich glücklich vor der Umayyaden-Moschee in Damaskus.FACEBOOK/SCREENSHOT

In seinem jüngsten Auftritt vom 5. Februar lässt er seine Anhänger in einem Auto sitzend wissen: Die Beleidigung Allahs müsse unbedingt unter Strafe gestellt werden, Syrien brauche eine Verfassungsänderung. Darüber habe er bereits in einer russischsprachigen Moschee gesprochen.

Weil sich die Gesellschaft nicht an der Scharia orientiere und solche Gesetze fehlten, gehe es „Bilad al-Sham“ so schlecht. Bilad al-Scham war der Name Syriens, als es eine Provinz des Kalifats war.

Der Terrorverdächtige predigt nicht mehr in Graz, sondern per Video aus Syrien über islamisches Recht.FACEBOOK/SCREENSHOT

Kämpfer einer Terror-Miliz für einen islamischen Staat in Syrien

Die dschihadistische Karriere des mutmaßlichen Terroristenführers begann vor zwölf Jahren. Laut Anklage kämpfte er von 2013 bis 2014 als Kommandeur der Löwenbrigade in Al-Mayadin, einer Stadt im Osten Syriens, die während des Krieges zum Rückzugsgebiet der Terrormiliz Islamischer Staat wurde. Die Löwenbrigade unterhielt enge Verbindungen zum Islamischen Staat, berichtet der deutsche Islam- und Terrorismusexperte Guido Steinberg. Später schloss sich Muhannad der Terrororganisation al-Nusra an. Für solche radikal-islamistischen Kämpfer sei der Krieg in Syrien „Teil einer größeren Auseinandersetzung, die nicht mit dem Sturz Assads endet“, sagt Steinberg.

Allerdings soll Muhannad Z. nie mit der Waffe gekämpft haben, erklärte später sein Verteidiger in Graz. „Ich kann mich nicht erinnern, mit einer Waffe geschossen zu haben“, behauptete der Beschuldigte ausweichend vor Gericht.

Predigten in radikaler Moschee, Islam-Justiz daheim

Muhannad ist 2015 mit der Flüchtlingswelle nach Graz gekommen. Nach derzeitigem Kenntnisstand predigte er kurz darauf, mittlerweile als Asylberechtigter, in zwei Moscheen, nämlich im syrischen Jugendverein und in einer radikalen tschetschenischen Moschee. (Vielleicht war das die russischsprachige Moschee, von der er in seinem jüngsten Video sprach?)

Zudem baute Muhannad Z. in seiner Wohnung eine islamische Paralleljustiz auf: Er fungierte als Scharia-Richter, der bei Streitigkeiten islamisches Recht sprach.

Den Steuerzahler kommt Muhannads Aufenthalt in Österreich seither teuer zu stehen. Denn dem mutmaßlichen Terroristen folgten seine Frau und sieben Kinder aus Syrien nach. Zusammen hat die achtköpfige Familie seither rund 250.000 Euro an Sozialleistungen bezogen, wird geschätzt.

Geschäft mit Halal-Fleisch – „ohne Stromschlag geschlachtet“

Gleichzeitig handelte er mit Halal-Hühnerfleisch, also „frischem Fleisch – 100% nach islamischer Methode geschlachtet“, wie auf der Facebook-Seite des Betriebs zu lesen ist. Während 90 Prozent der Hühner in Europa „mit Stromschlag und Maschine“ geschlachtet würden, sei das bei Alhelal-Hühnern ganz anders, heißt es in einem Facebook-Beitrag: Die Hühner würden „islamkonform“ geschlachtet, „mit menschlicher Arbeit und ohne Stromschlag“.

Mouhannad Z. erklärte via Facebook die Vorzüge der islamkonform geschlachteten Hühner.FACEBOOK/SCREENSHOT

Gezeigt wird ein Video, in dem noch lebende Hühner geköpft werden. „Die Hühner sind immer noch am Leben. Sehen Sie im Video, wie sie sich bewegen“, sagt eine Stimme.

Nur bei lebendigem Leib geschlachtete Hühner (unten) sind „Hall“.FACEBOOK/Alhelal Halal/Screenshot

Das Oberlandesgericht enthaftet Muhannad zwei Mal und ermöglicht seine Flucht

Später bekommen die Behörden doch Wind von Muhannads islamistischen Umtrieben in Graz und in Syrien. Allerdings ließ das Oberlandesgericht Graz den Verdächtigen bemerkenswerterweise zweimal auf freien Fuß setzen, was ihm letztlich die Flucht ermöglichte.

Zunächst wurde am 11. März 2023 die Untersuchungshaft des Verdächtigen aufgehoben, „weil das Oberlandesgericht keine Haftgründe als erfüllt annahm“, sagt Stefan Koller vom Oberlandesgericht Graz gegenüber dem exxpress. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen vorerst ein. Im Beschluss des Oberlandesgerichtes wurde allerdings ein anonymer und maßgeblicher Zeuge irrtümlich namentlich genannt, wie die Krone berichtete.

Im vergangenen Jahr wurde schließlich Anklage wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation gegen Muhannad Z. erhoben. Beim Prozess am 11. Dezember 2024 erschien der zuvor enttarnte Zeuge eingeschüchtert vor Gericht. Es stellte sich heraus, dass er zwischenzeitlich von der Familie des Angeklagten mit dem Tod bedroht worden war. „Ich will nichts sagen, ich werde bedroht“, sagte er. Familienmitglieder von Muhannad Z. hätten ihn zu Hause „besucht“, eine Facebook-Nachricht wird dem Gericht vorgelegt: „Du spielst mit deinem Blut und Leben“, heißt es darin. Dazu der Hinweis, dass Muhannad Z. den Zeugen in zwei Hälften schneiden würde.

Der Staatsanwalt hatte genug und beantragte die sofortige Festnahme des Angeklagten wegen Verdunkelungsgefahr. Doch drei Tage später wurde der Verdächtige auf Beschwerde seines Verteidigers vom Oberlandesgericht wieder aus der Untersuchungshaft entlassen.

Europäischer Haftbefehl gegen Muhannad Z.

Am Donnerstag sollte der Prozess fortgesetzt werden, doch der Verdächtige ist inzwischen mit seiner Familie nach Syrien zurückgekehrt, wo er nach Angaben seines Verteidigers eine Apotheke eröffnen will.

Zur Haftentlassung Mitte Dezember berichtet Stefan Koller vom Oberlandesgericht Graz: „Gründe dafür waren das Fehlen eines dringenden Tatverdachts betreffend des Vergehens der Nötigung nach §§ 12 zweiter Fall, 105 Abs 1 StGB sowie das Nichtvorliegen des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr“.

Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile einen Europäischen Haftbefehl beantragt. Muhannad Z. kann sich in Europa nicht mehr frei bewegen.