In letzter Sekunde: Standesbeamtin verhindert Zwangsheirat
Ein Termin im Standesamt ist für eine Standesbeamtin eigentlich Routine. Doch in diesem Fall sollte die Hochzeit zum Albtraum werden. Eine junge Frau mit Kopftuch saß verängstigt neben ihrem Verlobten. Ihr Blick wirkt leer, ihre Stimme war kaum zu hören. Nur die zuständige Standesbeamtin bemerkt die Unsicherheit der Braut.
Die Schweizer Standesbeamtin reagierte blitzschnell. Sie bat die Braut zu einem Gespräch unter vier Augen – eine Entscheidung, die alles verändern sollte. In diesem vertraulichen Moment offenbarte sich das ganze Drama: Die junge Frau hatte panische Angst vor ihrem Partner. Sie wollte diese Ehe nicht. „Er hat mir schon einmal den Finger gebrochen“, soll sie laut Neue Zürcher Zeitung gesagt haben. Der Mann habe sie geschlagen, bedroht, kontrolliert.
„Ich hatte Todesangst vor ihm“ – die erschütternde Wahrheit
Die Beamtin erkennt sofort die Gefahr, zögert nicht und schlägt Alarm. Noch bevor das Ja-Wort fällt, informiert sie die Polizei – mit dem Verdacht einer drohenden Zwangsheirat. Wenige Monate später bestätigt sich dieser Verdacht: Der Bräutigam, ein 43-jähriger französisch-kosovarischer Doppelbürger, wird verhaftet.
Im Prozess kam das ganze Ausmaß der Gewalt ans Licht. Der Mann wurde wegen Vergewaltigung, mehrfacher Körperverletzung, Drohung, eines Verkehrsdelikts und einer versuchten Zwangsheirat zu sechs Jahren Haft verurteilt. Dazu kommen ein zehnjähriges Einreiseverbot und die Verpflichtung, seiner ehemaligen Partnerin Schmerzensgeld und Entschädigung zu zahlen.
Erschütternd: Während der Beziehung hatte die Frau nach eigenen Angaben dreimal abtreiben müssen, weil sie keine Kinder mit ihrem Peiniger wollte. Eine Ehe mit ihm hätte sie in Lebensgefahr gebracht.
Zwangsehen bleiben ein Tabuthema – auch in Deutschland
Der Fall sorgt über die Schweiz hinaus für Aufsehen – und rückt ein Thema ins Licht, das oft im Verborgenen bleibt. Denn Zwangsheiraten sind längst keine Randerscheinung. Allein in Deutschland wurden laut dem Arbeitskreis Zwangsverheiratung in Berlin im Jahr 2022 496 Fälle gemeldet, in denen junge Menschen bedroht oder betroffen waren.
Die meisten Opfer sind Mädchen zwischen 16 und 21 Jahren – und die Dunkelziffer ist vermutlich weitaus höher. Ein Beispiel ist Anna, heute 25 Jahre alt. Mit 16 floh sie gemeinsam mit ihren beiden jüngeren Schwestern aus der Familie, um einer erzwungenen Ehe in Pakistan zu entgehen. Ihr Vater wollte sie verheiraten, „der Ehre wegen“. Nur dank einer Schulsozialarbeiterin gelang ihnen die Flucht.
Anna sagt rückblickend, dass sie ohne diese Hilfe verloren gewesen wäre. Umso besorgter blickt sie darauf, dass Schulsozialarbeit nicht überall selbstverständlich ist – obwohl sie in vielen Fällen den einzigen Rettungsanker darstellen kann.
Wenn Zivilcourage Schicksale verändert
Was die Standesbeamtin getan hat, war mehr als nur pflichtbewusstes Handeln. Es war Menschlichkeit in ihrer reinsten Form – und ein Beispiel dafür, wie viel Mut im richtigen Moment bewirken kann.
Denn manchmal reicht ein einziger wachsamer Blick, um Leben zu retten.
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