Ischgl war es nicht: Wo Corona in Europa wirklich begann
War Corona bereits auf der ganzen Welt vertreten, bevor es überhaupt offiziell entdeckt wurde? Norwegische Forscher sind durch Blutproben von schwangeren Frauen eben dieser Annahme auf der Spur. Damit würde nicht nur Wuhan, sondern auch die ursprünglichen “Hotspot-Bösewichte” wie Ischgl entlastet und die Geschichte der Pandemie völlig verändert.
Gab es das Coronavirus in Europa bereits lange bevor es in China offiziell “entdeckt” wurde? Der Beginn der Pandemie wird allgemein gerne mit Jänner 2020 festgesetzt, doch genau so, wie die Diskussion ob das Virus nun im Labor herangezüchtet wurde oder doch von Fledermaus und Co. stammt, ist auch das “Geburtsdatum” nach wie vor umstritten.
Nun haben Forscher aus Norwegen fundierte Beweise dafür, dass die Pandemie älter ist, als gedacht: Wissenschaftler des Akershus University Hospital in der Nähe von Oslo sagen, dass COVID-19 in Europa und auf der ganzen Welt wahrscheinlich viel weiter verbreitet war, bevor eine erste offizielle Diagnose gestellt wurde. “Beweisstück A” hierfür ist ist die Blutprobe einer schwangeren Frau: In dieser Blutprobe, welche am 12. Dezember 2019 abgenommen wurde, haben die Forscher nachträglich ein positives Coronavirus-Ergebnis festgestellt und sagen, dass sie sich wahrscheinlich Ende November oder Anfang Dezember infiziert hat.
Allgemeine Einstellungen
“Unsere Ergebnisse verändern die Geschichte der Corona-Epidemie sowohl in Norwegen als auch in der Welt”, sagte Anne Eskild, Professorin und Chefärztin bei Akershus. Gegenüber “Euronews” erzählt sie weiter: “Wir haben tatsächlich vier von 1.500 Tests an schwangeren Frauen gefunden, die positiv waren, bevor der erste Fall in Frankreich diagnostiziert wurde.”
Ursprünglich wurde angenommen, dass Europa zu diesem Zeitpunkt noch “coronafrei” gewesen sei, und sich das Virus erst exklusiv in China verbreitete: Im Dezember 2019 wurde in Wuhan, China, eine Ansammlung von Lungenentzündungs-ähnlichen Fällen identifiziert, und am 12. Januar 2020 teilten die chinesischen Behörden schließlich die Gensequenz des neuen, sich schnell ausbreitenden neuartigen Coronavirus mit der Welt.
"Erste" europäische Fälle stehen nun im Zweifel
Laut Eurosurveillance, Europas Fachzeitschrift für Überwachung, Epidemiologie, Prävention und Kontrolle von Infektionskrankheiten, wurden die ersten drei europäischen Fälle am 24. Januar 2020 in Frankreich bestätigt, nachdem sie nur wenige Tage zuvor Symptome gezeigt hatten.
Im Mai 2020 wurde gemeldet, dass ein weiterer französischer Patient, der am 27. Dezember 2019 wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus behandelt worden war, positiv auf COVID-19 getestet wurde, nachdem ein damals entnommener Abstrich analysiert worden war.
War Corona schon "global", bevor es überall war?
Professor Eskild sagt, dass ihre Forschung zeigt, dass das Virus lange vor diesen französischen Fällen existierte.
„Das Einzugsgebiet unseres Krankenhauses umfasst Frauen, die aus der ganzen Welt kommen. Ich denke, dass einige der Frauen, die positiv waren, geboren wurden oder dort waren oder Verwandte oder Besucher aus der ganzen Welt hatten“, erklärt sie.
„Die Schlussfolgerung daraus ist, dass, da die Frauen in unserem Einzugsgebiet aus der ganzen Welt stammen, das Virus möglicherweise auf der ganzen Welt war, bevor die Chinesen die Epidemie ankündigten.“
Blutproben von Schwangeren als wertvoller Indizien-Fundus
Im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge in Norwegen werden allen Schwangeren Blutproben entnommen, um sie auf sexuell übertragbare Infektionen zu untersuchen.Die Proben werden anonym aufbewahrt, um potenzielle Infektionskrankheiten zu überwachen, und standen daher Forschern zur Verfügung, die die Ursprünge der Ausbreitung von COVID-19 in der nordischen Nation untersuchen. “Es gibt wahrscheinlich nur wenige andere Länder, die auf Bevölkerungsebene Zugang zu gelagerten Blutproben haben, und daher gibt es nur wenige oder keine anderen retrospektiven Studien”, erklärt Eskild.
Die Ergebnisse der Teams wurden im Epidemiologie- und Infektionsjournal der Cambridge University Press veröffentlicht.
Kommentare