Mehr Anschläge, weniger Festnahmen: Wie Corona den Terror veränderte
57 Terror-Attacken gab es im Corona-Jahr 2020 in Europa. Das zeigt ein aktueller Europol-Bericht. 21 Menschen verloren dabei ihr Leben. Vier davon beim islamistischen Anschlag in Wien. Wie hat das Virus den Terrorismus verändert?
Einsame Wölfe
Obwohl nur zehn der Anschläge einen islamistischen Hintergrund aufwiesen, waren diese für mehr als die Hälfte der Todesopfer so gut wie allen Verletzten verantwortlich. Trotz der Corona-Pandemie stieg die Zahl der Attacken an. Im Jahr 2019 gab es noch 55 Anschläge – gezählt werden in der Europol-Statistik auch die vereitelten.
Islamistischer Terror bleibt auch weiterhin die größte Gefahr für die Europäische Union. Brisant auch: Im Jahr 2020 wurden mehr als doppelt so viele Anschläge erfolgreich durchgeführt, als verhindert werden konnten. Laut Europol waren es dabei ausnahmslos Einzeltäter. So auch am 2. November 2020 in Wien. Kujtim F. hatte sich über Jahre hinweg in der albanischen Gemeinschaft radikalisiert, bevor er innerhalb von neun Minuten vier Menschleben auslöschte. Der eXXpress zeichnete die Stationen seiner Radikalisierung nach.
Messer und Fahrzeuge statt Bomben
449 Verhaftungen wurden Europol 2020 aufgrund von Terrorismusverdachts gemeldet. Bedeutend weniger als im Jahr zuvor, wo Ermittlern 1004 Verdächtige ins Netz gegangen waren. Warum diese Zahl im Jahr 2020 so niedrig war, ist unklar. Es könnte, so der Bericht, an den eingeschränkten Ressourcen der Behörden aufgrund der Coronakrise gelegen haben.
Auch die „Wahl der Waffen“ wurde durch Corona verändert. Dass der öffentliche Raum nur eingeschränkt genutzt werden konnte, Shopping-Zentren ebenso geschlossen waren, wie Kirchen und Sportarenen, führte dazu, dass weniger explosives Material angewandt wurde. So wurde im Jahr 2020 vermehrt zu Messern oder Fahrzeugen gegriffen. Der Anschlag in Wien war der einzige mit islamistischem Hintergrund, bei dem eine Schusswaffe zum Einsatz gekommen war.
Online-Radikalisierung: eine zunehmende Bedrohung
Mit der zunehmenden Nutzung des Internets während der Pandemie spielten Online-Gemeinschaften eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von gewalttätigem Extremismus. Nach Bemühungen, terroristische Gruppen auf Messaging-Apps wie Telegram zu blockieren, wurde die dschihadistische Propaganda stärker auf mehrere, oft kleinere Online-Plattformen verteilt. Zudem nutzen Rechtsextremisten zunehmend Videospiele und Gaming-Plattformen, um ihre Ideologie zu verbreiten.
Sowohl Dschihadisten als auch Rechtsextremisten versuchten laut Europol, COVID-19 für Propagandazwecke auszunutzen. Linke und anarchistische Extremisten bauten Kritik an staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie in ihre Narrative ein.
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