Nach Fluchtversuch: 96-jährige KZ-Sekretärin vor Gericht
Die 96-jährige Irmgard Furchner muss sich im deutschen Itzehoe wegen Beihilfe zum Mord in 11.380 Fällen und zur Beihilfe wegen versuchten Mordes in sieben Fällen vor Gericht verantworten. Sie war von 1943 bis 1945 die Sekretärin des KZ-Lagerkommandanten in Stutthof bei Danzig gewesen.
Laut Anklage hatte Furchner, die ihren Kopf am heutigen Prozesstag fast vollständig mit einem Kopftuch und FFP2-Maske bedeckte, „Kenntnis über alle Belange im Lager“ und war „bis ins Detail über das Töten informiert“. Sie schweigt zu den Vorwürfen. Außerdem „wusste sie von der Genickschuss-Anlage und von den Tötungen durch Vergasen,“ so die Staatsanwaltschaft. Im Konzentrationslager Stutthof starben während des Zweiten Weltkriegs schätzungsweise 65 000 Gefangene, darunter viele Juden.
Furchner war Stenotypistin des Lagerkommandanten
„Der Angeklagten wird zur Last gelegt, in ihrer Funktion als Stenotypistin und Schreibkraft in der Lagerkommandantur des ehemaligen Konzentrationslagers Stutthof zwischen Juni 1943 und April 1945 den Verantwortlichen des Lagers bei der systematischen Tötung von dort Inhaftierten Hilfe geleistet zu haben“. hieß es in einer Mitteilung des Gerichts. Ihr Verteidiger vertritt den Standpunkt, dass die 96-jährige Greisin keine Mitschuld hat. Furchner, die von einem Justizbeamten in einem medizinischen Rollstuhl in den Gerichtsaal geschoben wurde, trug zum Prozessbeginn am linken Arm eine elektronische Fessel.
Gesamter Schriftverkehr lief über ihren Schreibtisch
Furchner sagte bereits zweimal als Zeugin aus – vor fast 70 Jahren: 1954 und 1962 war sie zu ihrer Rolle in Stutthof befragt worden. 1954 habe sie ausgesagt, dass der gesamte Schriftverkehr mit dem SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt über ihren Schreibtisch gelaufen sei. Lagerkommandant Hoppe habe ihr Schreiben diktiert und Funksprüche verfügt. Von den Tötungen der Insassen, denen während ihrer Dienstzeit in unmittelbarer Nähe zehntausende Menschen zum Opfer fielen, habe sie aber nichts gewusst, sagte sie damals.
Nach Fluchtversuch Ende September bekam sie eine Fußfessel – um den Arm
2016 wurden die Ermittlungen gegen die, zum Tatzeitpunkt 18-jährige, Irmgard Furchner, wieder aufgenommen. Als sie im September 2021 mittels Taxi ihr Altersheim verließ, wurde ein Haftbefehl gegen sie erlassen. Die 96-jährige Greisin wurde wieder ins Altersheim zurückgebracht und bekam eine Fußfessel verpasst.
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