
Serbien bebt: Hunderttausende gingen in Belgrad auf die Straße
Beeindruckende Bilder aus Belgrad: Am 15. März gingen Hunderttausende Bürger auf die Straße, um gegen Misswirtschaft und Korruption zu demonstrieren. Ausgelöst wurde die größte Protestwelle in der Geschichte Serbiens durch den Einsturz eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad. Präsident Vucic gerät nun unter Druck und spricht von Neuwahlen. Das Video der Menschenmenge sehen Sie hier.

Der Einsturz eines Bahnhof-Vordaches führte zur größten Kundgebung des Landes. In Belgrad gingen am Samstag hunderttausende Menschen, angeführt von Studentenbewegungen, auf die Straße, um gegen das „korrupte System” von Präsidenten Aleksandar Vucic zu demonstrieren.
Drohnenvideos hielten die beeindruckende Menschenmenge fest, die großteils friedlich protestierte. Allerdings kam es in einem südlichen Vorort von Belgrad zu einem Zwischenfall, als ein Autofahrer absichtlich in eine Gruppe marschierender Demonstranten fuhr. Drei Personen wurden verletzt, der Fahrer festgenommen. Zudem brach am Abend Panik unter einer größeren Gruppe von Demonstrierenden aus. Experten vermuten den Einsatz einer Schallkanone durch die Polizei – ein Vorwurf, den die Regierung strikt zurückweist. Insgesamt sollen 56 Personen leicht verletzt worden sein.
@stefandiac0 Astazi va fi cel mai mare protest in Serbia unde se asteapta ca toata tara sa fie in strada impotriva coruptiei. #serbia🇷🇸 ♬ الصوت الأصلي - جيشك يا وطن
Doch wie kam es zu den Protesten? Am 1. November 2024 stürzte in Novi Sad ein frisch renoviertes Bahnhofsdach ein, bei dem 15 Menschen ums Leben kamen. Der Vorfall löste landesweite Empörung aus, für das Unglück werden Misswirtschaft und Korruption rund um den Bau verantwortlich gemacht.
Die Proteste gewannen seit November stetig an Dynamik, gefordert wird eine vollständige Offenlegung der Bauunterlagen des Bahnhofes. Bislang verweigerte die Regierung die Herausgabe der Unterlagen – obwohl die Kosten des Projekts von geplanten 3,5 Millionen auf 15 Millionen Euro explodierten.
Am 15. für die 15
Nun erreichten die Debatten und Proteste am Samstag in Belgrad mit der Kundgebung „Am 15. für die 15“ (steht für die 15 Toten des Bahnhofsunglücks, Anm.) den Höhepunkt. Bereits in den Tagen zuvor marschierten Studenten aus verschiedenen Städten Serbiens teils zweihundert Kilometer zu Fuß in die Hauptstadt, wo sie von der Bevölkerung jubelnd empfangen wurden. Am Slavija-Platz, dem Zentrum der Kundgebung, hielten die Demonstrierenden eine 15-minütige Schweigeminute für die Opfer ab – eine symbolische Geste, die sich um Punkt 11:52 Uhr ereignete, dem Zeitpunkt des Unglücks.
Mittlerweile wird nicht nur Aufklärung über das Unglück in Novi Sad gefordert, sondern auch strukturelle Reformen und eine Stärkung der Rechtsstaatlichkeit.
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic, dem ein autoritärer Führungsstil vorgeworfen wird, reagierte in einer TV-Ansprache auf die Proteste. Er bezeichnete die Teilnehmerzahlen als übertrieben und sprach von „nur“ 88.000 bis 107.000 Demonstrierenden. Unabhängige Beobachter hingegen schätzten die Zahl auf weit über 300.000.
Die Massendemonstration dürfte nun auf den Präsidenten trotz Abschwächungen Eindruck gemacht haben. Aleksandar Vucic stellte erstmals vorgezogene Neuwahlen in Aussicht. „Wir werden uns ändern müssen und vieles dazulernen”, so der Präsident angesichts der Proteste.
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