Spektakuläre Pfizer-Prozesse in Amerika: War „95 Prozent Wirksamkeit“ grob irreführend?
In den USA laufen Prozesse, die in Österreich und Deutschland schwer vorstellbar sind. Staatsanwaltschaften klagen dort den Corona-Impfstoffhersteller Pfizer an. Der Hauptvorwurf gegenüber dem Pharmagiganten lautet: irreführende Darstellung der Wirksamkeit der Impfung. Es geht dabei um die Behauptung, die Impfung schütze zu 95 Prozent vor Covid-19.
NIUS schildert die Vorwürfe der Anklage und rechnet vor, warum es sich bei den 95 Prozent Wirksamkeit um eine irreführende Darstellung handelt.
Ende 2020 kursierten Jubelmeldungen in den Medien. Nach Monaten harter Corona-Maßnahmen soll der Wissenschaft der Durchbruch gelungen sein. Die Rettung aus der Pandemie: hochwirksame Impfstoffe, hieß es damals, kämen an den Markt und ermöglichten schon bald schon ein normales Leben. Sowohl bei SZ und SPIEGEL als auch bei ZEIT hieß es, Corona-Impfstoffe hätten eine Wirksamkeit von 95 Prozent.
Nun laufen in den US-Bundesstaaten Prozesse, bei denen es um genau diese angeblichen 95 Prozent Wirksamkeit geht.
Was wird Pfizer vor Gericht vorgeworfen?
Ihre Anklage beginnt die Staatsanwaltschaft Texas so: „Ende 2020 verkündete die beklagte Firma Pfizer, Inc. der Welt mit, dass ihr COVID-19-Impfstoff ‚zu 95 % wirksam‘ sei. Aufgrund dieser und anderer Erklärungen von Pfizer, in denen die Wirksamkeit des neuen Impfstoffs angepriesen wurde, wurde den Amerikanern der Eindruck vermittelt, dass der Impfstoff von Pfizer die Coronavirus-Pandemie beenden und den allgegenwärtigen Schleier der Angst und Ungewissheit von der besorgten Öffentlichkeit nehmen würde. Im Vertrauen auf Pfizer standen Hunderte von Millionen Amerikanern Schlange, um den Impfstoff zu erhalten. Entgegen den öffentlichen Erklärungen von Pfizer endete die Pandemie jedoch nicht, sondern verschlimmerte sich. Im Jahr 2021, als der Impfstoff von Pfizer verfügbar war, starben mehr Amerikaner als im Jahr 2020, dem ersten Jahr der Pandemie.“
‚Relative Risikominderung‘ für geimpfte Personen
Weiter führt die Staatsanwaltschaft aus: „Erstens war die von Pfizer verbreitete Behauptung, der Impfstoff sei zu 95 % wirksam gegen Infektionen, von Anfang an grob irreführend. Diese Zahl war immer nur in einer einzigen, hochtechnischen und künstlichen Weise legitim – es handelte sich um eine Berechnung der sogenannten ‚relativen Risikominderung‘ für geimpfte Personen in der damals noch nicht abgeschlossenen klinischen Zulassungsstudie von Pfizer.“
Dann führt die Staatsanwaltschaft die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA an. Aus ihren Veröffentlichungen gehe hervor, dass die „relative Risikoreduzierung” eine „irreführende Statistik“ ist, die die „Entscheidung der Verbraucher in unzulässiger Weise“ beeinflusst. Die FDA schreibt: „Wenn Informationen im Format des relativen Risikos präsentiert werden, erscheint die Risikoverringerung groß, und die Behandlungen werden günstiger bewertet, als wenn dieselben Informationen mit genaueren Maßstäben präsentiert werden.“
„Pfizer machte ungestützte Zusicherungen und verschwieg wesentliche Tatsachen"
Auch die Staatsanwaltschaft Kansas klagt an, dass die Bevölkerung mit den „95 Prozent Wirksamkeit“ in die Irre geführt wurde: „Pfizer machte ungestützte Zusicherungen und verschwieg wesentliche Tatsachen in Bezug auf die Wirksamkeit seines COVID-19-Impfstoffs.“ So hat Pfizer im November 2020 verkündet: „Die Analyse der vorläufigen Wirksamkeit zeigt, dass BNT162b2 ab 28 Tagen nach der ersten Dosis zu 95 Prozent gegen COVID-19 wirksam ist.“
Wie kamen die 95 Prozent zustande?
Die Angabe beruht auf der Pfizer/BioNTech-Zulassungsstudie, in der Geimpfte und Ungeimpfte miteinander verglichen wurden. Die geimpfte Gruppe bestand aus 18.198 Probanden, die ungeimpfte Gruppe aus 18.325. Bei den Geimpften erkrankten nur 8 Menschen an Covid-19, bei den Ungeimpften 162 Teilnehmer. Also wurden 154 Geimpfte vor Covid geschützt (162-8). Bei der Berechnung der relativen Risikoreduzierung setzt man diese 154 Geschützten zu den 162 Erkrankten ins Verhältnis. 154 geteilt durch 162 = 95 Prozent. Diese Rechnung berücksichtigt nicht, wie groß die Probandengruppen waren, womit das Hintergrundrisiko außer Acht gelassen wird.
Im Gegensatz dazu berücksichtigt die absolute Risikoreduzierung dieses Hintergrundrisiko, an Covid zu erkranken – es war in beiden Gruppen sehr gering. Nun vergleicht man 8 Erkrankte von 18.198 Probanden (8 geteilt durch 18.198 = 0,04 Prozent) mit 162 Erkrankten von 18.325 Probanden (162 geteilt durch 18.325 = 0,88 Prozent). Die Differenz ist die absolute Risikoreduktion: 0,04 Prozent minus 0,88 Prozent = -0,84 Prozent. (Zahlen nach The Lancet.)
Das bedeutet: Geimpfte senkten ihr absolutes Covid-Risiko nur um 0,84 Prozent. Weil das nicht so imposant klingt wie „95 Prozent Wirksamkeit“, nutzen Pharmaunternehmen gern die relative Risikoreduktion. So wird mit der Wissenschaft manipuliert.
Bei der „95-Prozent-Wirksamkeit“ sei „Zurückhaltung geboten“
Zum Vergleich: Nehmen wir an, dass bei gleich großen Probandengruppen nicht 8, sondern 80 Geimpfte erkrankt, nicht 162, sondern 1.620 Ungeimpfte erkrankt wären, das Hintergrundrisiko also 10-mal höher wäre. Die relative Risikoreduktion würde immer noch 95 Prozent betragen, die absolute Risikoreduktion läge dann aber bei 8,4 Prozent. Das bedeutet im Klartext: Den Zulassungsdaten nach hat die Corona-Impfung ein ohnehin minimales Risiko noch weiter minimiert. Diesem geringen Vorteil stehen die Nachteile und Risiken der Impfung gegenüber.
Der Herausgeber des British Medical Journal, Peter Doshi, warnte frühzeitig. Bei der „95-Prozent-Wirksamkeit“ sei „Zurückhaltung geboten“. Er schrieb: „Die in Schlagzeilen präsentierten Ergebnisse zur Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffstudien sind auf den ersten Blick erstaunlich.“ Allerdings, so Doshi, sollten wir diese Ergebnisse „differenzierter betrachten. Zunächst wird über eine relative, nicht über eine absolute Risikoreduktion berichtet, letztere dürfte unter 1 Prozent liegen.“ Die Achse des Guten griff die Kritik seinerzeit als eines der wenigen Medien auf.
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