"Flopp Corona": Die drei Millionen Euro App wird zum Debakel
Sie hätte der Gamechanger im Kampf gegen die Pandemie werden sollen. Doch die “Stopp Corona”-App des Roten Kreuzes entwickelte sich zum (teuren) Debakel. Trotz der Entwicklungskosten von drei Millionen Euro will kaum jemand die Software auf seinem Handy haben – auch deshalb, weil sie laut Experten nicht so funktioniert, wie sie soll …
In wenigen Tagen sperrt Österreich wieder auf. Zu verdanken haben wir das nicht zuletzt der mittlerweile hohen Durchimpfung bei den Risikogruppen und den nun auch endlich besseren Zahlen im Osten. Der Beitrag, den die “Stopp Corona”-App in den letzten Wochen zur Pandemie-Bekämpfung leistete, ist indes überschaubar. Die Software hatte von Beginn an keinen besonders guten Stand bei den Österreichern. Aktuell findet sich die App etwa im “Play Store” von Google nur noch auf Platz 251. Aber nicht nur Android-Nutzer sagen “Nein, danke”. Sogar in der Unterkategorie Medizin ist man auch in Apples eigenem Store nur unter “ferner liefen” – auf Platz 5. Es ist mittlerweile denkbar, dass die App heuer noch komplett aus den Stores genommen wird, heißt es nun sogar.
1,4 Millionen Downloads - aber kaum Nutzer
“Praktisch in Echtzeit können die Kontakte der letzten zwei, drei Tage informiert werden”, erklärte Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes noch im November letzten Jahres, betonte, mit der App könnten “Infektionsketten unterbrochen werden”. Tatsächlich war zu diesem Zeitpunkt der “Kampf” schon verloren. Zwar verzeichnete man laut Foitik immerhin 1,43 Millionen Downloads und 560.000 aktive Nutzer; dennoch muss auch er wenige Monate später gegenüber der SN einräumen: “Die Möglichkeiten dieser App wären noch viel größer gewesen, wenn mehr Leute sie regelmäßig genutzt hätten.
Brisantes Detail am Rande: Im November 2020 sprachen die Verantwortlichen noch von 1,5 bis 2 Millionen Installationen auf heimischen Smartphones. Damals hieß es, dass das noch zu wenig sei. Mittlerweile wurde die Zahl der Downloads sogar noch nach unten korrigiert.
Die stolzen Entwicklungskosten – beauftragt wurde die Firma Accenture – in der Höhe von zwei Millionen Euro wurden mit einer Spende der Uniqa-Stiftung bezahlt. Der Bund schoss noch eine Million Euro nach. Laut einem Rechenmodell seien für diese drei Millionen Euro immerhin 2700 Infektionen verhindert worden. “Das zahlt sich schon aus”, konstatierte Foitik.
Kein gutes Haar an der App ließ “Runtastic”-Gründer Florian Gschwandtner. Nachdem er selbst mit dem Coronvirus infiziert war, testete er “Stopp Corona” im Selbstversuch. “Ich verstehe ja viele Sachen, aber ich habe es ja selber gesehen, dass Version 1 nicht funktioniert hat. Für mich ist absolut nicht nachvollziehbar, wie und warum das Update 1 Mio € kosten soll. Kann doch nicht wirklich wahr sein. Hier wäre eine offizielle Auflistung und Transparent echt interessant, weil irgendwo passen hier die Zahlen, Daten & Fakten nicht zusammen…
Kinderkrankheiten nicht in den Griff bekommen
“Die App wurde sehr schnell präsentiert in einer Version, die noch nicht 100-prozentig ausgereift war”, rechtfertigt Foitik in den “SN”. Wenn man Pionier sei, bekomme man eben die ganzen Kinderkrankheiten ab. Auch musste die Entwicklung zwei Mal adaptiert werden, “weil sich eben in der Pandemie viel verändert hat”.
Tatsächlich kämpfte man schon seit Beginn mit Image-Schwierigkeiten. Der geäußerte Wunsch mancher Politiker, die Verwendung der App zur Pflicht zu machen, sorgte nicht nur unter Datenschützen für Wirbel.
Nicht einfach ausschleichen lassen
Die drei Millionen Euro App wird mit jeder einzelnen Impfung weiter an Attraktivität verlieren. Die geimpften werden die App nämlich schon gar nicht verwenden. “Und weil die Impfskeptiker wahrscheinlich auch App-Skeptiker sind, hat die App irgendwann ihre Daseinsberechtigung verloren“, resümiert Foitek.
Die Anwendung aber einfach “ausschleichen” zu lassen – also eine “typisch österreichische Lösung” zu finden – ist aber laut vielen Experten keine gute Idee. Den Vorschlag einer Integration der EU-konformen Nachweise (etwa den “grünen Pass”) in die „Stopp Corona“-App, wies das Gesundheitsministerium aber bereits ab. Die anonyme Nutzung der App und die Integration des Nachweises ließen sich technisch nämlich überhaupt nicht vereinbaren. Auch nicht für drei Millionen Euro.
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