
Terror-Experte lässt aufhorchen: Villach ist Teil "jihadistischer Welle"
Islamistische Terroristen radikalisieren sich zunehmend online – schnell, unauffällig und ohne feste Gruppenstrukturen. Der Anschlag von Villach könnte ein weiteres Beispiel für diese besorgniserregende Entwicklung sein. Terrorismusexperte Peter R. Neumann analysiert, warum die Bedrohung wächst und wie Sicherheitsbehörden darauf reagieren sollten.
Der Terrorismusexperte Peter R. Neumann vom King’s College in London sieht den Anschlag von Villach als Bestandteil einer sich abzeichnenden jihadistischen Welle. “Die sich seit Monaten angekündigt hat”, schrieb er auf der Plattform “X” (vormals Twitter). Seiner Analyse zufolge repräsentieren die Täter einen “neuen Typus” von Terroristen, bei deren Radikalisierung das Internet eine zentrale Rolle spielt.
Laut Neumann gibt es keine Belege für einen direkten Zusammenhang zwischen den jüngsten Anschlägen und der Bundestagswahl in Deutschland. Ebenso sieht er keine Hinweise auf eine “externe Koordination oder gar: Manipulation durch Russland”. Der Experte verweist auf Parallelen zwischen den Attentaten in München und Villach. In München war es am vergangenen Donnerstag zu einem Terror-Angriff mit einem Auto gekommen, bei dem zahlreiche Menschen verletzt wurden; eine Mutter und ihr Kleinkind starben später im Krankenhaus.
Auch im Fall von Villach sei die jihadistische “Motivation und Radikalisierung im Internet sogar noch eindeutiger”, betont der deutsche Politikwissenschaftler und Publizist. Die Zahl islamistischer Influencer auf Plattformen wie TikTok sei rasant gestiegen: “Islamistische ‘Influencer’ auf TikTok haben Hunderttausende Follower”, berichtet Neumann. Dabei sei die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen zunehmend unwichtiger geworden: “Jeder kann sich aus Versatzstücken auf TikTok oder Instagram eine eigene Ideologie zusammenbauen.”
"Terror als Gewaltfantasie"
Neumann warnt zudem vor einer besorgniserregenden Entwicklung: Die digitale Radikalisierung sei nicht nur tiefgreifender, sondern vollziehe sich auch schneller als in der Vergangenheit. Diese Prozesse “gehen häufig einher mit Verrohung. Terror als Gewaltfantasie. Und mehr noch: Es passiert schneller als in der Vergangenheit.” Eine persönliche Krise könne ausreichen, um eine Radikalisierung innerhalb weniger Wochen auszulösen.
Für Sicherheitsbehörden stellt diese Entwicklung eine enorme Herausforderung dar. Neumann fordert daher ein konsequenteres Vorgehen gegen extremistische Inhalte im Netz: “Wir müssen strenger mit großen Plattformen wie beispielsweise TikTok und YouTube sein, wo sich islamistische Influencer tummeln.” Zudem sei eine verstärkte Überwachung geschlossener Chatgruppen notwendig: “Wir brauchen mehr ‘virtuelle Agenten’, die geschlossene Chaträume infiltrieren. Polizei und Nachrichtendienste müssen dort genauso aktiv sein wie auf der Straße.”
Alles, was ich in meinem gestrigen Thread über den Attentäter von #München geschrieben habe, gilt offenbar auch für den Attentäter von #Villach. Hier scheint dschihadistische Motivation und Radikalisierung im Internet sogar noch eindeutiger. 👇 https://t.co/ncuDvQN06T
— Peter R. Neumann (@PeterRNeumann) February 16, 2025
Um dem wachsenden Problem der Online-Radikalisierung effektiv zu begegnen, müssten die Sicherheitsbehörden ihre digitalen Kompetenzen massiv ausbauen: “Wir müssen viel schneller werden. Dafür brauchen Sicherheitsbehörden Leute, die sich im virtuellen Umfeld zuhause fühlen. Und sie benötigen technische und digitale Fähigkeiten, die Lichtjahre besser sind als heute”, so Neumann.
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