Ermittler haben neue Erkenntnisse zu den drei Terror-Verdächtigen, denen Anschlagspläne auf die Regenbogenparade der Wiener LGBTIQ-Community am 17. Juni zugeschrieben werde. Diese bekräftigen eine mutmaßliche radikalislamistische Gesinnung der drei Burschen im Alter von 15, 18 und 20 und eine Nähe zur Terror-Miliz “Islamischer Staat” (IS). Der Jüngste hatte auf Telegram sogar einen eigenen “Terror-Kanal” gegründet.

In der vom damals noch 14-jährigen Verdächtigen ins Leben gerufenen Chat-Gruppe versammelten sich nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer “bekennende Terroristen”, darunter ein mutmaßlicher IS-Anhänger, der Mitte Februar in Belgien festgenommen wurde, sowie ein junger Ukrainer, der die anderen wissen ließ, er würde sich “gerne in die Luft sprengen” und könne schon “das Paradies fühlen”. Mit diesem soll sich der damals 14-jährige Wiener Schüler noch separat in einem exklusiven so genannten Secret Chat ausgetauscht haben, wobei die entsprechenden Inhalte von den Usern gelöscht wurden und damit nicht mehr ausgelesen werden konnten. Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) geht jedenfalls davon aus, dass der mittlerweile 15-jährige Schüler seinen ukrainischen Chat-Partner “maßgeblich” unterstützt hat, indem er ihm ein Forum mit anderen “potenziell terroristischen Attentätern” bot, wie in einem der APA vorliegenden schriftlichen Bericht festgehalten wird.

IS-Video-Material hergestellt

Daneben soll der Verdächtige einen zweiten Chat-Kanal mit Bildern und Videos von Anschlägen und Exekutionen von Gefangenen und Geiseln des IS ins Leben gerufen haben. Das abscheuliche Bildmaterial wurde mit Nasheeds – Sprechgesänge, die radikale Islamisten für Propagandazwecke nutzen – unterlegt. Es besteht der Verdacht, der HTL-Schüler könnte auch selbst IS-Video-Material hergestellt und verbreitet haben – darauf deutet eine von ihm verwendete Videobearbeitungsapp hin. Auf seinem Handy wurden außerdem ein schriftlicher Treueeid auf den aktuellen IS-Führer Abi Hafsan al-Haschimi al-Kuraschi, ein 18-seitiges Dokument mit dem Titel “Kampf in der Betonwüste”, das Anleitungen zu Kampfhandlungen in bebauten Gebieten enthält, sowie eine IS-nahe Publikation mit homophoben und die LGBTIQ-Community diffamierenden Inhalten gefunden. Bereits bekannt war, dass sich der Schüler aus dem Internet acht Bombenbau- bzw. Sprengfallen-Anleitungen heruntergeladen hatte, eine zuletzt Mitte März 2023.

Aus den bisher vorliegenden Ermittlungsergebnissen – die Erhebungen sind noch nicht abgeschlossen – ergibt sich aber offenbar weiterhin kein Beleg, dass der Schüler und die beiden anderen Verdächtigen – ein in St. Pölten lebendes Brüderpaar – konkrete Vorbereitungen zu einem Anschlag getroffen hatten, als sie wenige Stunden vor der diesjährigen Regenbogenparade festgenommen wurden. Die DSN bzw. das Innenministerium waren zuvor von einem ausländischen Partnerdienst gewarnt worden und damit auf die Spur der drei Verdächtigen gekommen, die jegliche terroristische Absichten bestreiten und die von der Justiz nach wenigen Tagen wieder enthaftet bzw. gegen gelindere Mittel auf freien Fuß gesetzt wurden.

"Manchmal überleg ich mir, in den Krieg zu ziehen"

Die 18 und 20 Jahre alten Brüder hatten auf ihren Handy auch IS-Tötungsvideos und Propagandamaterial abgespeichert. Der 20-Jährige brach im Herbst 2022 seine Lehre ab und dürfte erwogen haben, nach Syrien, Afghanistan oder in den Irak auszureisen – er hatte nach Flügen nach Aleppo, Damaskus, Kandahar und Erbil gegoogelt. Schon im Dezember 2021 hatte er einem Chat-Partner geschrieben: “Manchmal überleg ich mir einfach in den Krieg zu ziehen, wenn in Bosnien ausbricht, was bald eh höchstwahrscheinlich passieren wird. Einfach als Märtyrer sterben.” Er unterhielt sich mit demselben Chat-Partner auch darüber, ob ein gemeinsamer Bekannter “gay” sei (“Wollte mal dich fragen”), wobei er in diesem Zusammenhang in nicht ganz korrektem Deutsch festhielt: “Ich distanziere mich von jeglichen Schwulenhass bin absolut für LGBTQ.”

Sein jüngerer Bruder hatte eine Fülle von Bildern mit Bezug zu islamistischen Terrorgruppen auf seinem Handy, was auf eine entsprechende Gesinnung hindeutet. Dazu bemerkte der jüngere der Brüder im Ende Mai 2023 in einem nunmehr sichergestellten Chat, er sei seit drei Jahren “auf diesem Weg”, ohne dass das jemand mitbekommen habe: “Die (offenbar gemeint: die Behörden, Anm.) wissen gar nichts.”