Kanzler über die Terrornacht: "Die Wunden schmerzen immer noch"
Bei einem Gottesdienst in der Ruprechtskirche am Dienstag gedachte die Staatsspitze und Kardinal Christoph Schönborn der Opfer. Österreich ist kein weißer Fleck mehr auf der Landkarte des Terrors, unterstrich Nationalratspräsident Sobotka. Anschließend wurden 29 Exekutivkräfte für ihren Einsatz ausgezeichnet.
Wohl jeder Wiener weiß noch, was er am 2. November 2020 gerade getan hat, als ein IS-Sympathisant sein Unwesen trieb, vier Menschen in der Innenstadt tötete und 20 verletzte, bevor er von der Polizei erschossen wurde. In Wien gedachte am frühen Abend die Staatsspitze der Opfer des Terroranschlags. Die Gedenkveranstaltung der Republik wurde in der Ruprechtskirche abgehalten, in deren unmittelbarer Nähe damals die Schüsse gefallen sind.
“Es gibt keine Worte, die angemessen wären angesichts dessen, was hier draußen vor dieser Kirche passiert ist”, befand Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Alles was er tun könne, sei, den Angehörigen die tief empfundene Anteilnahme im Namen der Republik Österreich auszudrücken. Nichts könne dafür entschädigen und wieder gutmachen, was geschehen sei.
Der Bundespräsident nannte die Vornamen der getöteten Opfer, Gudrun, Nedzip, Qiang und Vanessa. Jeweils vier Kerzen am Altar und am Aufgang zum Altarraum erinnerten an sie. Van der Bellen dankte auch der Exekutive: “Sie haben uns alle verteidigt.” Er würdigte auch jene Menschen, die in der Terrornacht Passanten geholfen haben.
Schallenberg: Die Gesellschaft hat damals zusammengehalten
Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) zeigte sich überzeugt: “Der 2. November ist ein Datum, das in Österreich nie wieder indifferent sein wird. Nicht für uns als Gesellschaft, aber schon gar nicht für diejenigen, denen an diesem Tag ein Familienmitglied, ein Freundin, ein Freund, ein geliebter Mitmensch brutal entrissen wurde.” Es sei jener Tag, an dem der Terror auch in Österreich seine “Fratze” gezeigt habe.
Doch die Gesellschaft habe damals zusammengehalten, wie der Kanzler hervorhob. Man werde, so beteuerte Schallenberg, Intoleranz nicht tolerieren – egal woher: “All jenen, die versuchen Hass und Zwietracht zu säen, muss klar sein, dass sie die volle Härte des Gesetzes spüren werden.”
“Unser aller Fassungslosigkeit ist auch nach einem Jahr noch spürbar”, sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Der Anschlag habe “unauslöschliche Spuren” hinterlassen und tiefe Wunden in die Gesellschaft geschlagen. Österreich sei nun kein weißer Fleck mehr auf der Landkarte des Terrors. Er verwies unter anderem darauf, dass es wichtig sei, im Vorfeld Radikalisierung zu erkennen und zu verhindern.
Immer wieder gebe es Menschen, die glauben würden, Gewalt sei die Lösung, warnte Kardinal Christoph Schönborn. Die Saat werde oft in den Herzen und Köpfen junger Menschen ausgesät. Das Gegenbild, so zeigte er sich zuversichtlich, sei aber stärker. Der Geist der Gemeinschaft habe sich an jenem Abend beeindruckend manifestiert.
Die Gedenkveranstaltung in der Ruprechtskirche wurde musikalisch von den jungen Musikerinnen der Gruppe “Weil ma glaubn” begleitet. Sie probten in der Stunde des Anschlages vor einem Jahr in dem kleinen Sakralbau, der als die älteste Kirche der Stadt gilt. Der Attentäter war nur wenige Meter von dieser entfernt am Ruprechtsplatz von Einsatzkräften der Polizei erschossen worden, nachdem er vier Personen getötet hatte. “Heute wird der Gesang zu Ende gesungen”, sagte Schönborn: “Das sind die Zeichen der Hoffnung.”
Abgeschlossen wurde das Gedenken am Jahrestag des Anschlags mit einer Würdigung der Leistungen der Polizei. Bei einer Veranstaltung im Hof der Rossauer Kaserne in Wien wurden 29 der damals im Einsatz befindlichen Exekutivkräfte ausgezeichnet. Innenminister Karl Nehammer und Bundeskanzler Alexander Schallenberg würdigten das Vorgehen der Polizei, das weiteren Verlust von Menschenleben verhindert habe.
Die gut einstündige Veranstaltung, an der beinahe die gesamte Regierung teilnahm, war den “guten Kräften” des 2. November 2020 gewidmet, wie Moderatorin Danielle Spera, ihres Zeichens Direktorin des Jüdischen Museums, betonte. 2.500 Beamte waren damals im Einsatz, etliche davon aus der Freizeit oder ihrem Urlaub kommend. Als erster seine Auszeichnung überreicht bekam jener Polizist, der vom Täter angeschossen und schwer verletzt worden war. Etliche der Geehrten nahmen ihre Ehrung aus Sicherheitsgründen maskiert entgegen, daher wurden auch keine Namen genannt.
Auf der einen Seite sei das Leid gestanden, auf der anderen unglaublich viel Tapferkeit, Mut und Entschlossenheit, würdigte Nehammer den Einsatz. Tief beeindruckt zeigte sich ob dessen Schallenberg. Respekt, Wertschätzung und Dank entrichtete er den Polizisten und deren Angehörigen und nannte sich “Schutzschild für die Gesellschaft und die Menschen in Österreich”.
Nehammer betonte in seiner Ansprache, dass der Terror schon in der Nacht des Anschlags dramatisch verloren habe. Die Terrornacht habe bewiesen, dass in Österreich alle eins seien: “Wer einen angreift, greift uns alle an.”
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