63 deutschsprachige Universitäten möchten „ein Zeichen setzen“, in dem sie die Plattform „X“ (früher Twitter) verlassen. Von den österreichischen Lehranstalten beteiligen sich die Universität Innsbruck, die sich schon vor einem Jahr von dem sozialen Medium verabschiedete, und die Innsbrucker MedUni an der „konzertierten Aktion“, wie es in einer Aussendung der Uni Innsbruck heißt. Die restlichen 61 sind deutsche Universitäten, die der Plattform den Rücken gekehrt haben, deren Eigentümer seit 2023 der Tech-Milliardär Elon Musk ist. Hier liegt auch der Hund begraben: Die Lehranstalten sind der Meinung, dass seit der Übernahme von X durch Elon Musk „eine weitere Nutzung für die beteiligten Organisationen unvertretbar“ sei.

„Rechtspopulistische Inhalte“ werden „verstärkt“

Der Rückzug der Unis sei eine „Folge der fehlenden Vereinbarkeit der aktuellen Ausrichtung der Plattform mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen: Weltoffenheit, wissenschaftliche Integrität, Transparenz und demokratischer Diskurs“, steht in der Aussendung. „Rechtspopulistische Inhalte“ würden auf X algorithmisch verstärkt werden. Dies mache eine „weitere Nutzung für die beteiligten Organisationen unvertretbar“. Mit einem Austritt von X wollen die Institutionen ihren „Einsatz für eine faktenbasierte Kommunikation und gegen antidemokratische Kräfte“ demonstrieren.

Dann halten sie fest: „Die Werte, die Vielfalt, Freiheit und Wissenschaft fördern, sind auf der Plattform nicht mehr gegeben“. Neben dem Text der Universität befindet sich ein Comic-Bild, auf dem ein Student das „X“-Symbol in eine Mülltonne wirft. Daneben liegt ein blauer toter Vogel, welcher das frühere Maskottchen des „X“-Vorgängers Twitter (auf deutsch: Gezwitscher) war.

Linke mögen Elon Musk nicht

Am Donnerstag führten Elon Musk und AfD-Chefin Alice Weidel ein Gespräch auf "X".IMAGO/IMAGO / Hanno Bode

Das originale Statement wurde am Freitag von der Presseabteilung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf veröffentlicht.

Der Freitag war wohl bewusst gewählt: Am Donnerstag fand nämlich auf X das Gespräch zwischen Tesla-Chef Elon Musk und der rechtspopulistischen AfD-Vorsitzenden und Spitzenkandidatin für die deutsche Bundestagswahl Alice Weidel statt. Jeder, der auf X einen Account besitzt, konnte den Talk verfolgen. Schon im Vorfeld kam laute Kritik aus den linken deutschsprachigen Medien. Die Rede war von „Wahlkampfhilfe“ für die AfD, die durch das Gespräch mit Musk befeuert werde. Dem CEO von SpaceX wird vorgeworfen, sich in die deutsche Politik einzumischen. In aktuellen Umfragen liegt die AfD bei 21 Prozent und damit hinter der konservativen CDU, die die stärkste Partei ist (30 Prozent).

Weil in Deutschland eine „Brandmauer“ der sogenannten „demokratischen“ Parteien gegenüber der AfD besteht, wird deren Chefin nicht zu Talkrunden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingeladen. Und dass, obwohl am 23. Februar gewählt wird in dem österreichischen Nachbarland.

Linke Journalisten verlassen X

Es ist bekannt, dass seit der X-Übernahme von Musk linke Journalisten, Politiker und Meinungsmacher mit der Plattform nicht mehr zufrieden sind, da sie nun wieder von mehr und mehr konservativen und rechts eingestellten Personen genutzt wird. So verließen etwa ORF-Moderator Armin Wolf und Falter-Redakteur Florian Klenk die Plattform, auf der sie tausende Follower hatten.

Musk hob im vergangenen Jahr auch einige Account-Sperrungen wieder auf. Der ultra-liberale Milliardär schaltete den Account des künftigen US-Präsidenten Donald Trump frei, nachdem dieser 2021 nach dem Sturm auf das Kapitol gesperrt wurde. Im Juli 2020 wurden auch die Konten des rechtsradikalen Aktivisten Martin Sellner sowie das der Identitären Bewegung (IB), dessen Leiter Sellner war, im Frühjahr 2024 wieder frei geschalten.

Wer steht wirklich für „Vielfalt und Freiheit“?

Die Universitäten, die X nun verlassen, möchten mit ihrem Austritt die „Bedeutung einer offenen und konstruktiven Diskussionskultur“ unterstreichen. Sie sprechen davon, dass „Vielfalt und Freiheit“ auf dem sozialen Medium nicht mehr gegeben seien.

Es steht jedoch zur Debatte, ob Elon Musk mit der Freigabe von ehemals gesperrten Konten sowie Gesprächseinladungen an Personen, die vom ÖRR gemieden werden, nicht genau das Gegenteil davon bewirkt, was die Universitäten X absprechen: Wahre Meinungsfreiheit und -vielfalt und ein offener Diskurs.