Viele niederländische Bürger unterstützen die Proteste der Landwirte. Die Regierung wirkt ratlos. Sie hat mittlerweile Panzer zu den Protestzügen geschickt. Doch der Zorn der Bauern kennt keine Grenzen. Er richtet sich vor allem gegen Umweltministerin Christiane van der Wal, letztlich aber gegen die gesamte niederländische Regierung. Diese hat neue und EU-konforme Düngevorschriften erlassen, die auf nichts weniger als die Enteignung unzähliger Landwirte hinauslaufen.

Ein „Nationaler Programm für den ländlichen Raum“ gibt an, um wie viel die Stickstoffemissionen bis 2030 pro Gebiet reduziert werden müssen. Die Bauern müssten sich demnach von ihren Tieren trennen und ihre Ställe schließen – wo wie von EU-Kommissar Frans Timmermans gewünscht. Der EU-Politiker will nämlich, dass in ganz Europa zehn Prozent der Flächen stillgelegt werden – das alles im Dienste der Stickstoffreduzierung.

Traktoren so weit das Auge reichtAPA/AFP/ANP/Bart Maat
Landwirte versammeln sich in Stroe, 70 Kilometer östlich von Amsterdam, um gegen die Regierung zu demonstrieren.APA/AFP/ANP/Sem van der Wal

Tausende Traktoren blockierten Straßen

Das lassen sich die Landwirte nicht bieten. Sie haben bereits angekündigt, das „ganze Land lahmzulegen“ – und das taten sie auch. Tausende Traktoren blockierten Straßen und Ausfahrten von Supermärkten. Fischer zeigten sich solidarisch und blockierten Häfen. Mehr als 40 Lagerzentren sollen abgesperrt worden sein. Nahrungsmittel in einigen Supermärkten werden mittlerweile knapp.

Sämtliche niederländische Medien kritisieren die angebliche Umweltverschmutzung durch Stickstoff und CO2. Sie lassen die Enteignungen dadurch als gerechtfertigt erscheinen. Anders das australische Fernsehen Sky. News. Es sei krank, dass die Regierung hingehe und komplette Farmen schließe, meint dort der TV-Moderator.

Landwirte sollen ihre Betriebe freiwillig aufgeben

Die Vorgaben des niederländischen Staates sind weitreichend: Die Bauern sollen ihren Betrieb freiwillig auf geben und dafür entschädigt werden, sofern sie garantieren, nie mehr wieder einen landwirtschaftlichen Betrieb aufzunehmen. Falls der Landwirt damit nicht einverstanden ist, nimmt der Staat ihm den Hof ab.

„Das Stickstoffmolekül ist zur Staatsgefahr aufgebauscht werden“, schreibt Holger Douglas im Online-Magazin „Tichys Einblick“. „Zweifelhafte ‚Stickstoff‘-Theorien dienen als Hebel, der Landwirtschaft den Garaus zu machen. Es kommen noch nicht einmal richtige Messungen zur Anwendung, sondern nur Rechenmodelle. Diese windigen Modellrechnungen dienen als Begründung für die Notwendigkeit, die Landwirtschaft zu dezimieren.“

Landwirte nehmen an einer Autobahn-Blockade teil, um gegen Pläne der Regierung zu protestieren, die von ihnen verlangen, weniger Dünger zu verwenden und den Viehbestand in Hapert zu reduzieren.APA/AFP/ANP/ROB ENGELAAR
Demonstranten der Gruppe „Gemeinsam für die Niederlande“ marschieren in Eindhoven in Solidarität mit den Landwirten und gegen die Pläne der Regierung.APA/AFP/ANP/ROB ENGELAAR

Möglicherweise ist der Stickstoff nur ein Vorwand?

Möglicherweise gehe es gar nicht um die Verminderung des vermeintlich schädlichen Stickstoffs, meint Douglas: „Ein Verdacht der Bauern: Es sollen mehr Landflächen zur Verfügung gestellt oder freigemacht werden, auf denen mehr Häuser gebaut werden können, das bringe dem Staat kurzfristig mehr Geld ein.“

Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zahlreiche niederländische Landwirte haben über Jahrzehnte hin dieses Land zu jenem Kulturboden gemacht, der es heute ist. Nun sollen sie von hier vertrieben werden. Letztlich betrifft das alles aber nicht nur die Niederlande, sondern die gesamte EU. Die Pläne von EU-Kommissar Frans Timmermans zur Stilllegung sämtlicher Flächen in ganz Europa werden ausgerechnet jetzt umgesetzt, wo sich eine weltweite Nahrungsmittelkrise anbahnt.

Der Bürgermeister von Meierijstad, Kees van Rooij, trifft sich mit Bauern während einer Demo. Die Niederlande sind der zweitgrößte Agrarexporteur der Welt.APA/AFP/ANP/ROB ENGELAAR
Landwirte versammeln sich neben einem deutsch-niederländischen Grenzschild während einer Demonstration.APA/AFP/ANP/Vincent Jannink