Die globalen Medien überschlagen sich dieser Tage dabei, sich einen Atomschlag Russlands in der Ukraine auszumalen. Da ist von Atomraketen die Rede, die im Luftraum der Ukraine gezündet werden und in Form eines tödlichen radioaktiven Regens niedergehen, aber auch von sogenannten strategischen Nuklearsprengkörpern, die ukrainische Militärstützpunkte mit einem Schlag in Schutt und Asche legen.

Pavel Podvig, Experte mit dem Schwerpunkt „Russische Nuklearstreitkräfte“ in Genf, kann diesen Schreckensszenarien wenig abgewinnen. Gegenüber dem Spiegel hält er fest: „Ich habe keine offiziellen Erklärungen gefunden, in denen mit dem Einsatz von Atomwaffen gegen die Ukraine gedroht oder in denen ihr Einsatz angedroht wird, um Rückschläge auf dem Schlachtfeld zu kompensieren.“

Es gehe vielmehr um eine atomare Abschreckung des Westens

Sieht man sich laut Podvig die russischen Drohungen und Äußerungen zu Atomwaffen an, die bisher von den Offiziellen in Moskau, einschließlich des russischen Präsidenten Wladimir Putin, gemacht wurden, dann stehen sie immer in Zusammenhang mit dem Westen. Die Botschaft, so Podvig, ist immer dieselbe: Wenn der Westen Russland angreife, werde Moskau antworten. Die Drohungen zielen demnach einzig und allein darauf ab, den Westen vor einer militärischen Beteiligung am Krieg fernzuhalten.

Der Russland-Experte glaubt auch nicht, dass der Kreml Atomwaffen in den jüngst von Russland einverleibten vier Regionen in der Ostukraine einsetzen wird. Zwar sei laut russischer Militärdoktrin der Einsatz von Atomwaffen erlaubt, wenn die Existenz des russischen Staates bedroht wird. Allerdings: Es wisse jeder, dass selbst eine Rückeroberung dieser Gebiete durch die Ukraine für Russland keine „existenzbedrohende Aggression“ wäre. Auch Putin weiß das ganz genau, so Podvig. Die Einschätzung des Russland-Experten scheinen jüngste Äußerungen Putins zu untermauern. Bei einem internationalen Treffen in der kasachischen Hauptstadt Astana sagte der Kreml-Chef am Freitag, es sei nicht Ziel Russlands, die Ukraine zu zerstören.

Laut Pavel Podvig gibt es keine konkreten Anhaltspunkte für einen Atomschlag Russlands gegen die UkraineFoto: Russian Nuclear Forces Project