Nun hat die Universität Wien auf das Gutachten, das dem eXXpress vorliegt, reagiert. Bis Mitte März will sie über die Einleitung eines Plagiatsverfahrens gegen Justizministerin Alma Zadic (Grüne) entscheiden. Das erklärte sie nun auf Anfrage der APA.

Übliche Software scheiterte zunächst

“Plagiatsjäger” Stefan Weber hat die Arbeit von Zadic bereits vor einigen Wochen kritisiert. Zunächst hatte er im Jahr 2021 einen Auftrag zur Überprüfung der englischsprachigen Dissertation erhalten. Er war darin zwar bereits auf Mängel, aber noch keine Plagiatsstellen gestoßen.

Mit der gebräuchlichen Software “Turnitin” wären viele Stellen aufgrund der vorgenommenen Umformulierungen nicht auffindbar gewesen, sagt Weber gegenüber der APA. Im Rückblick sei seine damalige Einschätzung ein “Fehlurteil” gewesen.

Weiteres Gutachten deckte "systematisch falsche Zitierweise" auf

Im Jänner berichtete der eXXpress über ein weiteres Gutachten, das eine systematisch falsche Zitierweise in der Dissertation aufdeckte. Sprich: Direkte – also wörtliche – Zitate wurden als indirekte ausgegeben, bei denen aber der Gedankengang des Originals mit eigenen Worten beschrieben werden müsste. Das war nicht der Fall. Insgesamt 85 solche nicht gekennzeichnete Zitate wurden in der Doktorarbeit der jetzigen Justizministerin entdeckt. “Zadic hat Zitate in ihrer Doktorarbeit bewusst verschleiert”, sagte damals die Prüferin Katharina Renner im eXXpress-Interview.

Stefan Weber hat seine Ansicht über die Dissertation von Alma Zadic nun revidiert

Stefan Weber meinte daraufhin: “Die Arbeit ist sicher wissenschaftlich nicht korrekt. Sie ist für den Leser systematisch irreführend, weil man bei keinem Satz weiß: Was stammt von Frau Zadić, was von jemand anderem?”. Den Plagiatsvorwurf wollte der Medienwissenschaftler damals aber nach wie vor nicht erheben.

Plagiat des zentralen Schlussteils?

Eine neue Dimension erhielt die Thematik wenige Tage später, als sich der eXXpress mit der “Conclusio” der Dissertation von Alma Zadic befasste – dem “Herzstück” der Arbeit, denn hier soll ein Doktorand beweisen: Er ist fähig, selbständig eigene Schlüsse zu ziehen. Die drei Schlüsse in der Conclusio befinden sich bereits in einer neun Jahre zuvor publizierten Arbeit der US-Rechtswissenschaftlers William W. Burke-White von der Universität von Pennsylvania Carey Law School. Kurz: Hier geht es um Plagiate im Schlüsselteil der wissenschaftlichen Arbeit.

Mit dieser Entdeckung des eXXpress konfrontiert änderte Plagiatsforscher Stefan Weber seine damalige Einschätzung und sprach nun von einem klaren Fall von Plagiat, und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht. Bei jedem Schluss der späteren Ministerin handelt es sich um ein Ideenplagiat, in einem Fall, wie Weber nun vermerkte, aber auch um ein Textplagiat:

"Kriterium der Selbständigkeit nicht erfüllt"

Aus Eigeninteresse sag sich Weber die Arbeit nun noch einmal an und fand in Summe vier Stellen, die er als Plagiatsfragmente wertete. Wegen ihrer geringen Anzahl seie diesen aber dennoch nicht für eine Aberkennung des Doktorgrads ausreichend gewesen. Angesichts des neuen Gutachtens sei aber auch das ein “Fehlurteil” gewesen, sagt Weber zur APA.

Sein neues Urteil: “Für mich ist das Kriterium der Selbstständigkeit nicht mehr erfüllt – in einer Dissertation müssen wissenschaftliche Fragestellungen selbstständig bewältigt werden.” Wären auch die umformulierten Passagen korrekterweise mit Fußnoten versehen worden, wäre kaum eine eigene Leistung übrig geblieben. “Und die Kriterien kann man nicht so tief hängen, dass Umschreiben eine Eigenleistung ist.”

Universität müsste Doktorgrad aberkennen

“Ob man das jetzt Plagiat nennt oder Umschreibunkultur, ist eine Frage der Etikette”, meint Weber. Seiner Ansicht nach müsse die Uni den Doktorgrad aberkennen – außer Zadic könne nachweisen, dass sie diese Arbeitsweise so an der rechtswissenschaftlichen Fakultät gelernt habe. Das sei auch nicht auszuschließen: “Dann fehlt nämlich die Täuschungsabsicht.”

Den ursprünglichen Begutachtern der Arbeit an der Uni macht Weber keinen Vorwurf: Um die entsprechenden Umformulierungen zu erkennen, müsse man abseits von Plagiatssoftware genau hinschauen: “Das ist mehr, als ein einzelner Gutachter tun kann.”

Österreich hat ein Ausbildungsproblem

Weber ortet vor allem ein Ausbildungsproblem: “Wir dürfen Dissertantinnen nicht antrainieren, dass sie nur umformulieren, sondern sie dazu bringen, eigene Gedanken zu fassen und nicht an der Literatur kleben zu bleiben. Derzeit produzieren wir vor allem Libretto-Schreiber: Unsere Kultur bringt Leute hervor, die eine Vorlage brauchen.”