Bundeskanzler Karl Nehammer möchte mit dem heutigen Bundesparteitag die ÖVP nach turbulenten Zeiten wieder auf stabilen Erfolgskurs bringen. Aber nicht nur der amtierende Kanzler und Parteichef hatte bei der großen Zusammenkunft der Volkspartei in Graz einen großen Auftritt auf der Bühne: Auch zwei ehemalige Kanzler (und Parteiobmänner) der Volkspartei ergriffen das Wort: Sebastian Kurz und Wolfgang Schüssel.

Schüssel gilt als lebende ÖVP-Legende und war vom 4. Februar 2000 bis zum 11. Jänner 2007 österreichischer Bundeskanzler. Die Ära Sebastian Kurz begann beinahe genau 10 Jahre später – und ging erst im Okrober 2021 mit dessen überraschendem Rücktritt zu Ende. Der Vorgänger von Karl Nehammer stand von Dezember 2017 bis Mai 2019 und von Jänner 2020 bis Oktober 2021 im Kanzleramt. Als die beiden – Schüssel in Trachtenjacke und Kurz im dunkelblauen Anzug –  gegen 14:30 die Bühne betraten, wurden sie mit tosendem Applaus vom Parteipublikum empfangen.

Schüssel dankt Nehammer für Besuch bei Putin

Die beiden Ex-Kanzler stiegen mit Erzählungen über ihre Erfahrungen in der Politik in ihre Reden ein. Schüssel erinnerte sich dabei an den EU-Beitritt Österreichs, der unter seiner ÖVP-Obmannschaft geschah und vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine noch historischere Bedeutung erlangt: “Gebe es diese Europäische Union nicht, müsste man sie hier und jetzt erfinden”, so  Schüssel, der Österreich durch die EU nun “im Herzen Europas” sieht. Dabei stärkte Schüssel auch Karl Nehammer den Rücken, indem er ihm für seinen Moskau-Besuch Anfang April danke. Für seine Entscheidung, als erster westlicher Politiker nach der Invasion der Ukraine persönlich nach Moskau zu reisen und mit Putin zu sprechen, hatte Nehammer viel Aufmerksamkeit – und viel Kritik – bekommen.

Offene Worte von Sebastian Kurz

Nach Schüssel kam auch Sebastian Kurz zu Wort. Der Vorgänger von Nehammer sprach in einer kurzen Ansprache locker und offen über seine politische Karriere. Rückblickend habe er sich in der Zeit politisch sozialisiert, als Schüssel an der Macht war. Kurz ist Schüssel daher dankbar, dass er ihm damals “begeistert hat”. Darüber hinaus habe Kurz “Freundschaften fürs Leben” in seiner 20-jährigen Zeit in seiner Politik schließen dürfen. Die Highlights seiner Karriere waren jedenfalls, die Wahlerfolge 2017 und 2019, die er als “prägende Erlebnisse, die er niemals vergessen werde”, bezeichnete.

Kurz privat wie nie: Rührende Worte über seinen kleinen Sohn

Aber nicht nur die Vergangenheit in der ÖVP und im Dienste Österreichs, auch seine Gegenwart und Zukunft sprach Sebastian Kurz auf der Parteibühne ehrlich und offen an – und gewährte dabei zur Begeisterung des Publikums auch einen weiteren kleinen Einblick in sein Privatleben. Derzeit habe er in seinem neuen Job, für den er zwischen dem US-amerikanischen Silicon Valley und Wien pendelt, “extreme Herausforderungen” vor sich. Seine wichtigste Aufgabe sei es nun, seinen neuen Beruf und seine junge Familie gemeinsam unter einem Hut zu bringen – Kurz und seine Partnerin Susanne waren erst im November des Vorjahres Eltern eines kleinen Sohnes geworden. “Ich freue mich jede freie Minute, die ich gemeinsam mit Susanne und meinem Sohn Konstantin verbringen kann”, so Kurz, der meinte, dass das Leben “mit einem kleinen Menschen extrem bereichern” würde.