Als die südafrikanische Ärztin Angelique Coetzee (61) Mitte November die Omikron-Variante entdeckte, untersuchte sie umgehend ihre Gefährlichkeit. Ihr Befund: “Im Gegensatz zur Delta-Variante greift Omikron die oberen Atemwege nicht an und bei milden Fällen vor allem nicht die Lunge. Nur in schweren Fällen kann es zu einer Lungenentzündung kommen.”

Darüber hinaus hätten mit Omikron infizierte Personen eine verstärkte Immunität gegen die Delta-Variante entwickelt, vor allem, wenn sie geimpft waren.

Coetzee empfiehlt, betroffene Patienten mit Cortison oder entzündungshemmenden Medikamenten wie Ibuprofen oder Paracetamol zu behandeln. Je schneller dies getan werde, desto schneller sei die Erholungsrate bei Patienten mit leichten Symptomen. Die Medizinerin: “Eine kleine Dosis Cortison scheint der Goldstandard für die Behandlung von Omikron, sobald die Diagnose feststeht. Eine künstliche Sauerstoffzufuhr ist nicht nötig.”

Omikron-Entdeckerin Angelique Coetzee

Niemand kann "die Bevölkerung aus der Pandemie impfen"

Die scharfen Maßnahmen, die sämtliche Staaten und Spitäler im Zuge der Ausbreitung von Omikron in Europa und in den USA ergriffen, werden von der Ärztin bis heute kritisiert. “Diese Panik war völlig übertrieben”, sagt Coetzee nun gegenüber der Schweizer “Weltwoche”.

Zwar hätten Regierungen zu Recht vor der schnellen Ausbreitung der Variante gewarnt. Doch mit ihrer Warnung vor überlasteten Spitälern und noch mehr Toten hätten sie den Leuten Angst gemacht.

Stattdessen hätte die Regierungen kommunizieren sollen, dass die Impfung “einen recht guten Immunschutz biete” und vor schweren Krankheitsverläufen, Hospitalisierungen und Tod schütze. In Südafrika beispielsweise seien 88 Prozent der Omikron-Fälle auf den Intensivstationen nicht geimpft gewesen. Dennoch sei keine Regierung in der Lage, “die Bevölkerung aus der Pandemie zu impfen”. Deshalb sei es wichtig, parallel zur Impfung auch nicht pharmazeutische Interventionen durchzuführen, anstatt Panik zu verbreiten. Ihre Meinung: “Letztendlich müssen die Menschen selbst entscheiden, was gut für sie ist, und die Verantwortung für ihre Entscheidungen und Handlungen übernehmen.”

"Wer Lockdowns androht, versteht das Virus nicht"

Auch die Booster-Impfung “wirkt eindeutig gegen Omikron”. Daneben brauche es aber auch eine “soziale Verantwortung der Bürger, das Offensichtliche zu tun”, wie Masken zu tragen und Menschenansammlungen fern zu bleiben. “Wer aber strenge Lockdowns androht oder Reisebeschränkungen durchsetzt, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, versteht das Virus nicht.

Viren seien keine Lebewesen, sondern aufgebaute Moleküle, die aus eigener Kraft nicht existieren können. Sie zielen daher nicht darauf ab, ihren Wirt zu töten. Darum hegten viele Experten die Hoffnung, das Virus habe ein Interesse daran, aggressivere Viren zu verdrängen. “Obwohl sich Omikron wie ein wildes Feuer rasend schnell ausbreitet, sind die Symptome im Vergleich zur Delta-Variante milder. Omikron wirkt eher wie eine Grippe oder ein Erkältungsvirus.”

Höhepunkt der Corona-Welle in Europa bald überschritten

In Südafrika habe sich gezeigt, dass die Zahl der Fälle zuerst rasch anstieg, danach aber “mit einer verblüffenden Geschwindigkeit” fiel. Gleichzeitig hätten Krankenhausaufenthalte nur geringfügig zugenommen. Sie geht darum davon aus, dass auch Menschen in Europa und in den USA zuversichtlich sein können, dass die neue Corona-Welle ihren Höhepunkt bald überschritten hat.

Auch zu den Symptomen hat Coetzee unterdessen einige Erkenntnisse gesammelt: “Omikron ist eine virale Infektion, die eine Entzündung des Muskel-Skelett-Systems zur Folge hat, was zu Rücken- und Brustschmerzen führen kann. Zudem können Kopfschmerzen am Morgen, etwas Heiserkeit und Nachtschweiss auftreten, gekoppelt mit Müdigkeit. Das sind die typischen Omikron-Symptome. Nach höchstens sechs Tagen scheint sich die Mehrheit der Patienten vollständig erholt zu haben.”