Mit der wachsenden Ausbreitung von Omikron hat sich auch der Wissensstand über die neue Virus-Variante massiv erweitert – und der lässt zunehmend Positives für 2022 erhoffen. Möglicherweise kündigt sich nun doch ein Ende der Pandemie an. Omikron ist nämlich hochansteckend, und zwar für alle, ob geimpft oder nicht-geimpft. Doch der Verlauf ist deutlich milder als bisher, vor allem bei Menschen, die geboostert sind, aber auch bei jenen, die nur einen Stich erhalten haben. Sie alle müssen fast nie in das Spital eingeliefert werden, wie Ärzte aus den USA berichten.

Fazit: Die Impfung schützt bei Omikron in geringerem Maße vor einer Infektion, dafür umso öfter vor schweren Verläufen, auch bei älteren Menschen mit Vorerkrankungen. Weltweit werden die Corona-Maßnahmen deshalb nun gelockert. Österreich und Deutschland lassen sich damit aber noch Zeit.

"Mit Booster schlimmstenfalls Erkältungssymptome"

Über die USA fegt zurzeit die vierte Corona-Welle hinweg, doch diesmal verläuft sie anders, berichten die Ärzte berichten. Zwar verzeichnet das Land bereits sehr hohe Infektionszahlen – beinahe 500.000 Neuinfektionen allein am Donnerstag und mehr als 2000 Menschen, die binnen eines Tages an Covid starben – doch die Impfungen helfen besonders gut, die Schwere der Krankheitsverläufe zu reduzieren.

Matthew Bai, Arzt für Notfallmedizin am Mount Sinai Krankenhaus in New York City, sagte zu “NBC News”: “Der allgemeine Trend, den ich sehe, ist: Wenn Sie trotz Booster-Impfung Covid bekommen, verspüren Sie im schlimmsten Fall schwerere Erkältungssymptome. Es ist nicht mehr wie früher, wo Sie gehustet haben, keine Sätze sagen konnten und kurzatmig waren.”

Keine Kurzatmigkeit bei Booster-Impfung

Ähnliches erklärte Craig Spencer, Direktor für globale Gesundheit in der Notfallmedizin am New York-Presbyterian/Columbia University Medical Center: Patienten, die die Auffrischimpfung erhalten haben, könnten immer noch Symptome wie Halsschmerzen, starke Müdigkeit und Muskelschmerzen haben, sagt er. Diejenigen, die geimpft seien, aber keinen Booster bekamen, “sahen schlimmer aus, sie sahen aus, als würden sie sich verdammt schlecht fühlen. Aber: Auch sie mussten nicht ins Krankenhaus eingeliefert werden”, unterstrich Spencer. Und: “Ich sehe keine Leute, die zwei Dosen plus Auffrischimpfung bekommen haben und hier zutiefst kurzatmig ankommen. Es passiert einfach nicht.” Geimpfte ohne Auffrischimpfung verspürten mehr Husten, mehr Fieber und mehr Müdigkeit als Geboosterte.

Spencer sagt gegenüber “NBC News” weiter: “Wir wissen, dass es mehrere Erscheinungsformen dieser Krankheit gibt, die sich nicht verändert haben. Was sich aber geändert hat: Wir wissen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Geimpften im Krankenhaus zu landen deutlich geringer ist. Das ist sicher.”

Nur Ungeimpfte auf Medical Center in Houston

Besonders bei den Über-50-Jährigen und den Über-55-Jährigen mit Vorerkrankungen wisse man, dass die Impfung die Wahrscheinlichkeit verringere, mit schwerem Verlauf ins Krankenhaus eingeliefert werden zu müssen, erklärte Spencer, der nun Auffrischungsimpfungen auch bei jüngeren Menschen empfiehlt, um schweren Krankheiten vorzubeugen.

Der Lungenzustand derjenigen, die die Auffrischimpfung erhalten hatten, sei innerhalb weniger Tage “fast wieder normal”, sagt Joseph Varon, Chef der Intensivstation und Covid-19-Einheit am United Memorial Medical Center in Houston (Texas). Patienten ohne Auffrischimpfung neigten hingegen dazu, sich “nach einer Woche, anderthalb Wochen immer noch krank zu fühlen”. Jene 50 Personen, die in den vergangenen vier Wochen auf der Corona-Station landeten, waren alle ungeimpft. Sie hätten typischerweise mit “Kurzatmigkeit und hohem Fieber reagiert” und seien “wie verrückt dehydriert”. Varon sagt weiter: “Die Menschen, die hier ungeimpft reinkommen, haben eine viel größere Krankheitslast in der Lunge als diejenigen, die geimpft sind.”

Israel denkt über Schwenk auf "schwedische Politik" nach

Der positive Ausblick findet mittlerweile in gelockerte Corona-Maßnahmen seinen Niederschlag. In den USA teilte Rochelle Walensky, die Direktorin der Gesundheitsbehörde CDC, mit, für die Entlassung aus der Quarantäne sei nun kein PCR-Test mehr nötig. Und Israel, das uns bisher immer einen Schritt voraus war, diskutiert mittlerweile offen über die natürliche Durchseuchung. Im Gesundheitsministerium spricht man vom Wechsel zu einem “Modell der Masseninfektion” und einem Schwenk zur “schwedischen Politik”, die sich auf nur wenige und sanfte staatliche Eingriffe stützte.

Ähnliches trägt sich auch in Spanien zu, wo bei besonders hoher Impfrate und neuer Corona-Rekordzahlen die Regionalregierung in Madrid dennoch auf schwerwiegende Eingriffe verzichtet. Die Maßnahmen könnten kaum dezenter sein: Alle Bürger haben die Möglichkeit, sich selbst zu testen und bei positivem Resultat zu Hause zu bleiben. Die Krankschreibung erfolgt telefonisch. Nur wer über 38 Grad Fieber hat oder Atemnot, soll einen Arzt kontaktieren.

Österreich und Deutschland auf strengem Corona-Kurs

Während sich überall wieder Hoffnung auf ein Leben vor der Pandemie breit macht, fahren Österreich und Deutschland nach wie vor einen strengen Anti-Corona-Kurs. Die Gastro-Sperrstunde in Österreich bleibt. Nur am Neujahrstag gilt eines Silvester-Amnestie. Lockerungen wie eben in Wien sind bestenfalls sehr dezent zu bemerken. Auch in Deutschland sind eben verschärfte staatliche Eingriffe in Kraft getreten. Schließlich gebe es beim Kampf gegen das Virus “keine roten Linien”, wie Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte.

Auch in Deutschland bastelt man gerade an einer allgemeinen Impfpflicht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erklärte am 22. Dezember: “Mit der Impfpflicht hat man klare Steuerungsoptionen, wann, wer, wie geimpft werden muss, in welchen Intervallen und warum. Dann kann man das viel besser strukturieren und dann auch letztlich versuchen, vor die Wellen zu kommen, statt den Wellen immer hinterherzulaufen.”

Der Reporter Tim Röhn kommentiert Söders Einschätzung in der “Welt” folgendermaßen: “Vielleicht hat der Mann recht. Die wahrscheinlichere Option ist, dass Deutschland einem globalen Kurswechsel hinterherläuft.”