Er sei ohnehin das “schwarze Schaf” der EU, deshalb kümmere es ihn wenig, die harte Wahrheit zu sagen, meinte Viktor Orban (59) in seiner Residenz im früheren Karmeliter Kloster über Budapest: Der ungarische Premierminister nahm sich zweieinhalb Stunden Zeit für ein hochinteressantes Hintergrundgespräch für einige wenige internationale Journalisten, die als Vortragende des Mathias Corvinus Collegium in Budapest waren. Am Tisch neben Viktor Orban saßen dabei auch Yair Netanjahu (31), der Sohn des israelischen Präsidenten Benjamin Netanjahu, und auch eXXpress-Chefredakteur Richard Schmitt.

“Wir sind in großen, großen Schwierigkeiten”, begann Ungarns Premier über den Krieg in der Ukraine zu sprechen: “Der Westen ist bereits im Krieg mit Russland, das ist die Realität. Und der Westen wird immer weiter in diesen Krieg hineingezogen.” Der “Mainstream” sehe das sehr simpel, meinte Viktor Orban: “Russland ist der Aggressor, deshalb gibt es Krieg.” Keiner würde mehr in Europa fragen: “Moment, gibt es noch andere Möglichkeiten?” Israel könnte etwa helfen, einen Waffenstillstand zu erreichen. Und der ungarische Premier scherzt dann: “Wir Ungarn werden aber leider nicht mehr in der EU ernst genommen, wir gelten ja nur noch als diese ,verrückten Guys’.”

Ungarns Premierminister Viktor Orban beim exklusiven Gespräch mit einigen internationalen Journalisten, darunter auch eXXpress-Chefredakteur Richard Schmitt

"Putin hat bald Wahlkampf - in den geht er nicht als Verlierer"

Die Gesamtsituation in Europa sei aber “sehr ernst”, betont Viktor Orban bei diesem exklusiven Talk: “Wenn Russlands Frühjahrsoffensive erfolgreich ist – was machen wir dann? Der Ukraine gehen die Soldaten aus. Das ist Faktum, das sagen die Geheimdienste. Schickt die NATO dann auch Soldaten? Auch wenn das so wäre: Die Russen verdoppeln dann die Zahl ihrer Truppen, sie haben kein Limit an Menschen.”

Und der ungarische Premier erinnert an ein weiteres Faktum: “Wladimir Putin hat nächstes Jahr Präsidentschaftswahlen. Er wird sicher nicht als Verlierer in den Wahlkampf gehen wollen, sicher nicht.”

Der eXXpress mit Viktor Orban auf der Aussichtsplattform des Amtssitzes des ungarischen Premierministers.

"Die Ukraine ist wie Afghanistan"

Eine weitere Aussage des Premiers wird die Regierung in Kiew nicht wirklich begeistern: “Russlands Kriegsziel ist, die Ukraine zu einem unregierbaren Wrack zu machen, der Westen soll ihre Rettung dann nicht feiern können. Das läuft bereits erfolgreich: Die Ukraine ist wie Afghanistan. No Man’s Land (Niemandsland).”

Ungarn will deshalb einen sofortigen Waffenstillstand, sagt Orban: “Wir haben auch nicht die Lösung für einen Friedensvertrag auf dem Tisch, das wird eine lange Phase der Arbeit sein.”

Viktor Orban warnt dabei erneut: “Die Zeit spielt für Russland. Wir sollten nicht den Fehler machen, das wir glauben, die Russen denken so wie wir. Die Geschichte zeigt doch: Je mehr der Druck auf Russland steigt, desto besser werden sie. Und jetzt sieht man schon: Sie werden immer besser an der Front in der Ukraine.”

Will einen raschen Waffenstillstand: Ungarns Premierminister Viktor Orban.

"Ist der Westen in der Ukraine auf der Siegerstraße? Wohl eher nicht."

Dass Russland einen Waffenstillstand zur Reorganisation seiner Armee und zur weiteren Aufrüstung verwenden könne, beurteilt der ungarische Premier so: “Ja, natürlich bietet ein Waffenstillstand diese Möglichkeit. Aber sind wird doch ehrlich: Sind wir Europäer bei diesem Konflikt eben auf der Siegerstraße, auf der Erfolgsspur? Das sehe ich einfach nicht.”

In dem exklusiven Talk mit Journalisten, die als Vortragende des Mathias Corvinus Collegium in Budapest bei einem Kongress anwesend waren, sprach Viktor Orban auch über die Gefahr einer weiteren gefährlichen Eskalation im Ukraine-Krieg: Es wäre möglich, dass die russischen Streitkräfte mit taktischen Nuklearwaffen antworten, falls die Ukraine weitreichende Raketen erhält und sie auf russische Ziele abfeuert. Auch deshalb rät Orban zu Waffenstillstands-Verhandlungen: “Den Konflikt mit Russland fortzusetzen, um auch die Einigkeit Europas zu festigen – ich weiß nicht, ob das wirklich eine gute Idee ist.”

Hier zeigt Viktor Orban dem eXXpress sein BudapesteXXpress
Viktor Orban ist auch ein Partner des österreichischen Kanzlers Karl Nehammer in der Frage der Regulierung der Zuwanderung.