Alle Spitzenkandidaten reden im deutschen Wahlkampf über den Klimaschutz, doch keiner über die Benzinpreise, kritisiert das deutsche “Handelsblatt”. Ohne höhere CO2-Preise, die dann in den Benzinpreis einfließen, lassen sich nämlich die Klimaziele nicht mehr erreichen. Doch auf deren Einhaltung hat sich Deutschland mittlerweile selbst verpflichtet – international und durch ein neues Klimaschutzgesetz (siehe unten).

Einschneidend war auch das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts im April: Dieses zwingt die Regierung zu noch mehr Klimaschutz. Der Gesetzgeber müsse demnach einen Ausgleich zwischen Freiheitsgebrauch und erwartbaren Schadenslasten finden. Wer bis jetzt zu wenig tut, wird demnach künftig die Freiheiten noch radikaler einschränken müssen. Weil aber Deutschland bisher die Klimaziele nicht annähernd erreicht hat, stehen drastischere Maßnahmen bevor, von denen keiner spricht.

Klimaschutz ohne höheren CO2-Preis ist unrealistisch

Kurzfristig lässt sich eine Senkung der Emissionen nur über den CO2-Preis erreichen. Internen, noch unveröffentlichten Berechnungen zufolge, muss man sich daher in Deutschland auf einen einem Aufpreis von 70 Cent pro Liter gefasst machen. Was das konkret bedeutet, rechnet der Bericht, den das “Handelsblatt” in die Hände bekommen hat, ebenfalls vor: Für eine Familie mit zwei Autos auf dem Land würde das Mehrkosten von 1800 Euro im Jahr bedeuten, für eine Familie in der Stadt mit einem Auto immerhin noch 700 Euro.

Zurzeit kostet in Deutschland eine Tonne CO2 noch 25 Euro. Das schlägt sich beim Benzin in einem Aufpreis von sieben bis acht Cent pro Liter nieder. Doch das reicht nicht mit Blick auf die Klimaziele, wie der Bericht enthüllt.

Der noch immer zurückgehaltene Bericht birgt Sprengstoff

Alle zwei Jahre muss die deutsche Bundesregierung im sogenannten “Projektionsbericht” festhalten, wie erfolgreich Deutschland gerade unterwegs ist im Klimakampf. Im März hätte der neue Bericht eigentlich erscheinen sollen, doch das ist bisher nicht geschehen, offiziell, weil Corona und EU-Vorgaben die Fertigstellung verzögern. Dabei ist gerade dieser Bericht essenziell um zu wissen, welche Maßnahmen künftig nötig sein werden, sofern man die Klimaziele auch erreichen will.

Eines ist zumindest sicher: Sollte der Bericht noch vor der Bundestagswahl am 26. September erscheinen, dürfte er für gehörigen Lärm sorgen, denn Deutschland wird demnach seine Klimaziele im Verkehrsbereich im Jahr 2021 um sieben Millionen Tonnen verfehlen, im Jahr 2022 sogar um 20 Millionen Tonnen aufgrund der steigenden Mobilität nach Corona. Deshalb muss der Aufpreis demnach auf mindestens 70 Cent pro Liter steigen.

"Klimaprämie" reicht nicht, um Kosten aufzufangen

Solche Preisexplosionen treffen gerade sozial Schwache. Die Parteien machen natürlich auch Vorschläge, wie man die Bürger wieder entlasten könnte – doch die reichen nach Expertenmeinung nicht annähernd aus, um die höheren Benzinkosten aufzufangen. SPD und Grüne fordern eine “Klimaprämie” oder ein “Energiegeld”. Beides soll mit den Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bürger zurückgegeben werden, sofern diese weniger CO2 verbraucht haben. Doch die Prämie der Grünen von 75 Euro pro Jahr ist da viel zu wenig, ebenso die Abschaffung der Ökostromumlage und Senkung der Stromsteuer, wie von der Union gefordert.

Deutschland hat sich selbst die Hände gebunden

Die Spitzenkandidaten von Union, SPD und Grünen versprechen den Wählern eine rigorose Klimaschutzpolitik ohne größere Opfer für den Bürger – doch noch ist unbekannt, wie das gehen soll. Sollte die Bundesregierung die Klimaziele am Ende ignorieren, steht sie vor zwei weiteren Problemen: Erstens hat sich Deutschland international zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, zweitens hat sich die Bundesregierung ein sehr scharfes Klimaschutzgesetz verpasst, das ihr nun das Leben schwer macht. Wenn nun Minister in ihrem Bereich die Klimaziele verfehlen, müssen sie binnen drei Monaten Verbesserungsvorschläge vorlegen. Das Problem: Ein Expertenrat für Klimafragen muss diese Vorschläge auch abnicken – oder er weist sie eben zurück, wie gerade bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Bauminister Horst Seehofer (CSU) geschehen.

Vor der Wahl steht somit fest: Deutschland will eine ehrgeizige Klimapolitik verfolgen, nur ist bis dato unklar, wie das ohne drastische Verteuerungen für die Bürger gehen soll.