Was hat Sie dazu veranlasst, die Doktorarbeit von Justizministerin Alma Zadić zu untersuchen?

Zunächst wurde ich einfach neugierig, weil ich Ausdrucksschwierigkeiten der Justizministerin bei manchen Pressekonferenzen beobachtet habe. Doch als ich ihre online zugängliche Dissertation mit Turnitin, der Plagiatssoftware der Universität Wien, untersuchen wollte, passierte etwas Erstaunliches: Ihre Arbeit war gesperrt. Das hatte ich bei anderen Arbeiten an der Uni Wien noch nie erlebt. Normalerweise kann man jede akademische Abschlussarbeit an der Uni Wien mit Turnutin auf Plagiate testen. Dieses Mal klappte es nicht. Das machte mich stutzig. Immerhin könnte dahinter ein Vorsatz stehen.

"Die zweitschlechteste Arbeit, die ich studiert habe"

Was haben Sie daraufhin getan?

Ich habe die Arbeit nach einigen missglückten Versuchen schließlich mit einer anderen Software überprüft und danach nochmals genau untersucht. Das Ergebnis: Alma Zadić hat 85 Textpassagen falsch zitiert.

Wie haben Sie auf dieses Ergebnis reagiert?

Ich war entsetzt, vor allem aufgrund der Häufigkeit der nicht korrekt gekennzeichneten Zitate. Wegen lediglich einer nicht genannten Quelle regt sich ja keiner auf. Wir sprechen im übrigen von der Justizministerin, und die sollte wirklich integer sein. Ihr untersteht die Staatsanwaltschaft als weisungsgebundene Behörde. Im Dezember 2020 hatte ich schon einmal eine katastrophale Diplomarbeit untersucht. Die Dissertation von Frau Zadić ist die zweitschlechteste Arbeit, die ich seither studiert habe. In keiner anderen wissenschaftlichen Arbeit, mit der ich mich im vergangenen Jahr befasst habe, wird so häufig so unkorrekt zitiert.

22 Mal wurde die falsche Quelle angegeben

Ihre Studie enthält am Ende eine ausführliche Tabelle. Bei 39 Textstellen hat Zadić zwar die richtige Quelle genannt, das Zitat aber nicht unter Anführungszeichen gesetzt, sprich: abgeschrieben, ohne das auch zu kennzeichnen. Und bei den übrigen 46 Textpassagen?

Bei allen 85 Stellen, die ich ausfindig gemacht habe, fehlen die Anführungsstriche. 23 Mal hat Zadić darüber hinaus die falschen Seitenzahlen angegeben. Darin mag man Schlamperei sehen – oder Verschleierung: Wer in den Quellen nachsieht, stößt dann nicht auf die richtige Textstelle, die Zadić eigentlich übernommen hat.

Einmal hat Alma Zadić ein Zitat nicht gekennzeichnet und auch keine Quelle genannt. Manches Mal findet man die entsprechende Quelle nur im Literaturverzeichnis. 22 Mal hat Frau Zadić eine falsche Quelle angegeben. So war etwa mehrmals eine Arbeit von Keren Michaeli ihre eigentliche Quelle. Nur das hat sie verschleiert. Sie hat stattdessen jene Literatur als Quelle angegeben, die Michaeli selbst erwähnt. Sie hat dabei immer seine Formulierungen übernommen.

Das war eine bewusste Verschleierung?

Definitiv. So etwas kann einem nicht passieren. Man kann ja nicht permanent zufälligerweise dieselben Formulierungen eines anderen Autors übernehmen. Die Wahrscheinlichkeit geht gegen null. Das ist eine beliebte Taktik, um Plagiate zu verschleiern.

Justizministerin Zadić hat die Vorwürfe mittlerweile zurückgewiesen. Ihre Dissertation folge streng den Zitierregeln des Harvard Bluebooks und entspreche damit international anerkannten wissenschaftlichen Standards. 

Die Zitierweise der Justizministerin genügt gerade nicht den Standards des Havard Bluebooks, denn dieses sieht im Gegenteil ausdrücklich die Kennzeichnung von Zitaten vor (siehe Bild unten). Die ausgeforschten Stellen wurden im übrigen mit den Papers verglichen und kontrolliert, Fehler des Plagiatsprogrammes können somit ausgeschlossen werden.

Das Harvard Bluebooks hält fest: "Alle Zitate, außer Blockzitaten, sind mit Anführungszeichen zu versehen." Blockzitate müssen zur Gänze mit einem Abstand von fünf Leerstellen zum linken und rechten Rand eingerichtet werden. Beides hat Zadić an keiner der 85 Stellen der Doktorarbeit getan.

Katharina Renner, Jahrgang 1984, studierte zunächst Maschinenbau an der TU Wien und war dann in der Gebäudetechnik tätig. Der Plagiatsprüfung wandte sie sich erst zu, als sie eher zufällig mit einer besonders schlechten Diplomarbeit einer psychologischen Gerichtsgutachterin konfrontiert war, die überfüllt mit Plagiaten war. Renner hat mehrere wissenschaftliche Abschlussarbeiten in der Zwischenzeit geprüft, neben Aufträgen waren darunter auch freiwillige Privatrecherchen wie im Falle von Zadić, deren Ergebnisse sie dann dem bekannten Plagiatsprüfer Stefan Weber vorgelegt hat.