Ein Jahr lang hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Inflationsangst hinunter gespielt. Nun lassen Wortmeldungen von EZB-Direktorin Isabel Schnabel (50) aufhorchen. Sie räumt ein: Der geplante Umstieg auf alternative Energiequellen könnte eine massive Verteuerung bei den Energiepreisen auslösen.

Mal sehen, ob diese Einschätzung auch Konsequenzen für die geplante grüne Geldpolitik der EZB haben wird. Als einzige Zentralbank der Welt will die EZB künftig über geldpolitische Maßnahmen auch den Klimaschutz fördern. Das könnte ein gewagtes Unterfangen werden, besonders in Zeiten von Energieknappheit und einer beispiellosen Explosion der Energiepreise.

Isabel Schnabel spricht von einem bisher nicht beachteten Zusammenhang: Die Umstellung der Wirtschaft auf grüne Energie könnte zu gesteigerter Nachfrage nach sowohl alternativen, als auch herkömmlichen Energiequellen führen.APA/AFP/Daniel ROLAND

Inflation deutlich höher als prognostiziert

Fakt ist: Vor genau einem Jahr, im Jänner 2021, rechnete die EZB noch mit einer Verteuerung der Verbraucherpreise von durchschnittlich 0,9 Prozent im Jahr 2021. Am Ende sollte der Jahresdurchschnitt bei der Inflation dann 2,7 Prozent betragen, also das genau Dreifache der ursprünglich angenommenen Höhe. Vor allem ab den Sommermonaten kannte die Steigerung der Verbraucherpreise kein Halten mehr. Im Dezember wurde zuletzt der Rekordwert von fünf Prozent erreicht.

Ihre Prognose für 2022 hat die Zentralbank bereits kräftig nach oben korrigiert, von zunächst 1,7 Prozent auf nun 3,2 Prozent – eine beispiellose Korrektur innerhalb kurzer Zeit. Am Samstag gestand schließlich EZB-Direktorin Isabel Schnabel (50), Mitglied in der obersten Führung der Euro-Bank, in einer Rede: Die Zentralbanker haben einen Turbo für die Inflation noch nicht ausreichend beachtet. Die Wende zu grünen Energiequellen beinhalte das Risiko einer mittelfristig höheren Inflation. Damit bestätigte Schnabel, was Mahner schon zuvor befürchteten. Die bereits explodierenden Energiepreise bei herkömmlichen Energiequellen fanden in der Inflation bereits ihren Niederschlag. Kombiniert mit der grünen Energiewende könnte das ein durchaus teurer Mix werden.

Inflation in Deutschland und Österreich über EU-Schnitt

Eine zusätzliche Herausforderung für die EZB zurzeit ist die unterschiedlich stark anwachsende Inflation je nach EU-Land – der eXXpress berichtete erst kürzlich darüber. Besonders hoch ist die Verteuerung etwa in Deutschland. Die Deutschen, aber auch die Österreicher bräuchten dringend eine Zinswende, die von EZB-Präsidentin Christine Lagarde aber bisher strikt ausgeschlossen wurde für dieses Jahr.

Nun rechnet der deutsche Wirtschaftsweise Volker Wieland (55) vor: “Laut Bundesbank hatten die Deutschen zuletzt Bargeld und Bankeinlagen von gut 2,6 Billionen Euro. Bei einer Inflationsrate von zuletzt 5,3 Prozent hieße das, dass sie zwischen Dezember 2020 und Dezember 2021 grobgerechnet 135 Milliarden an Kaufkraft eingebüßt haben.” Das bedeutet einen Verlust von rund 1700 Euro pro Kopf.

Andere Zentralbanken haben auf die wachsende Inflation bereits reagiert und bekämpfen sie mit einer Anhebung der Leitzinsen. Das gilt etwa für die britische Zentralbank, und auch für die Federal Reserve, die eine Erhöhung des Leitzinses für dieses Jahr angekündigt hat. Allein die EZB lässt sich damit noch immer Zeit. “Es war voreilig, dass sich EZB-Präsidentin Lagarde gegen eine erste Zinsanhebung im Laufe dieses Jahres ausgesprochen hat”, sagt Wieland. Die EZB hätte diese Tür offenhalten sollen.

Dass EZB-Chefin Lagarde nach den warnenden Worten von Schnabel einlenken wird, glaubt Thomas Mayer, ehemaliger Chefökonom der Deutschen Bank, indes nicht. “Denn während Frau Schnabel warnt, hält der EZB-Chefökonom Lane die Inflationsentwicklung weiterhin nicht für besorgniserregend. Frau Lagarde muss sich jetzt entscheiden, welchem ihrer Mitarbeiter sie folgt.”