Am Samstagabend berichtete die ZIB 1 von einem Protokoll der blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen, das aufdeckt, wo die größten Unstimmigkeiten zwischen FPÖ und ÖVP liegen. Am Sonntagabend schrieb dann das Wochenmagazin profil, dass ihnen ein 223-seitiges Protokoll der Unterverhandlungsgruppen vorliegt. Und das ist so aufgeteilt: Grün unterlegte Punkte bedeuten Einigung, gelbe müssen noch im Detail verhandelt werden und bei den roten hat man sich bislang nicht einigen können. Diese rote Liste ist laut profil lang.

Diese Punkte stehen auf der roten Liste:

Israel und der Umgang mit dem Holocaust

Auf Rot stehen angeblich folgende Formulierungen: „Fortführung der Israel-Politik als Staatsräson“, „Österreich hat besondere, historische Verantwortung“ oder „Bekenntnis zu Israel als jüdischer und demokratischer Staat. Österreich wird in internationalen Organisationen Initiativen und Resolutionen, die diesem Bekenntnis zuwiderlaufen, nicht unterstützen.“ Auf rot steht auch die Errichtung eines Holocaust-Museums. Dafür hat sich der Ex-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) in der Vergangenheit stark gemacht. „Das ist eine Aufgabe für die nächste Bundesregierung“, sagte er im Jahr 2023. Bei den laufenden Verhandlungen hat die ÖVP diese Idee eingebracht.

Bekämpfung von Extremismus und Pro-Gaza-Demos

Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW), das sich wissenschaftlich mit Österreichs Nazi-Vergangenheit und Rechtsextremismus in der Gegenwart beschäftigt, will die FPÖ gerne abschaffen. Das DÖW ist zuletzt stark in die Kritik geraten, da sie in ihrem kürzlich erschienenen Rechtsextremismus-Bericht nicht nur FPÖ-Politiker, sondern auch ÖVP-Politiker namentlich erwähnen und konservative Positionen als „rechtsextrem“ brandmarken (der Exxpress berichtete).

„Bekämpfung jeglicher Formen von Extremismus, daher Abschaffung eines eigenen Rechtsextremismusberichtes des DÖW“, heißt es dazu in dem Verhandlungsprotokoll. „Das DÖW ist kein Amt und keine Behörde. Seine Mitteilungen haben daher keinerlei offiziellen Charakter, sondern stellen die politische Agitation einer privaten Organisation dar“, sagt die FPÖ.

Diskussionen gab es auch wegen der Pro-Gaza-Demonstrationen. Die ÖVP will sie verbieten lassen. Das geht jedoch nur, wenn solch ein Gesetz allgemein formuliert wird. Die FPÖ will das nicht, da es dann auch zum Beispiel Demonstrationen der rechtsradikalen Identitären Bewegung treffen könnte.

Worauf sich die beiden Parteien einigen konnten, ist, dass sich Österreich für Friedenslösungen in Nahost einsetzt, mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung.

Außenpolitik und EU

Die FPÖ lehnt ein Bekenntnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention im Regierungsprogramm, sowie eins zur EU-Grundrechtecharta und der EU-Rechtssprechung ab. Auch eine EU-Armee möchte sie nicht. Die Freiheitlichen fordern einen „Schutz vor EU-Klimaverboten“ und einen Rückbau des Digital Services Acts. Auch die „Chatkontrolle der EU-Kommission“ lehnen sie ab. Am liebsten hätten sie, dass Österreich aus der NATO-Partnerschaft für den Frieden, dem das Land 1995 beigetreten ist, wieder aussteigt.

Die ÖVP möchte die EU-Beflaggung an Amtsgebäuden weiterführen – die FPÖ lehnt das ab. Auch lehnt sie EU-Beitrittsgespräche mit Ländern, die sich im Krieg befinden (konkreter Fall: die Ukraine), ab. Die ÖVP hingegen möchte Beitrittsperspektiven stärken. Die Blauen fordern eine Prüfung der Russlandsanktionen. Die Volkspartei möchte sich an die Maßnahmen im Einklang mit den EU-Mitgliedsstaaten halten und keine Alleingänge durchführen.

Asyl- und Migrationspolitik

Einige Vorschläge im Bereich Asyl- und Migrationspolitik gehen der ÖVP zu weit – zum Beispiel ein von der FPÖ gewünschter Zaun an einigen österreichischen Grenzabschnitten, der Ausstieg aus dem UN-Flüchtlingspakt, Migrationszentren in Drittstaaten oder die Legalisierung von Push-Backs an den EU-Außengrenzen.

Weitere Punkte der roten Liste:

  • Die Volkspartei will eine Überwachung der Messenger-Dienste und eine Ausweitung der Befugnisse des Staatsschutzes und der Kriminalpolizei. Die FPÖ will das nicht.
  • Ein Einsatz im Kampf gegen fake news und Desinformation, zum Beispiel durch Erhöhung der Medienkompetenz – hier stößt sich die FPÖ am Begriff „fake news“.
  • Eine von den Freiheitlichen geforderte Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. „Anhebung der Anforderungen und Wartefristen auf die Staatsbürgerschaft. (einheitlich lange Dauer von 30 Jahren)“. Für ehemalige Asylwerber soll es eine Staatsbürgerschaft auf 5-Jahre-Probezeit geben. Die ÖVP ist nicht ganz einverstanden damit.

Einigkeit bei Gendern und zwei Geschlechtern

In der Debatte um eine mögliche Liberalisierung des Waffenrechts scheinen sich ÖVP und FPÖ anzunähern. Auch ideologisch gibt es Überschneidungen: Die FPÖ pocht darauf, dass es biologisch nur zwei Geschlechter gibt und kritisiert die Auswahl aus sechs Geschlechtsbezeichnungen im Meldegesetz als „skurril“. Streit gibt es noch bei der gendergerechten Sprache in Schulbüchern. Während die FPÖ auf eine Abschaffung drängt, zögert die ÖVP. Hier wird noch um die Formulierung gerungen.