
7 Millionen Fingerabdrücke von Asylwerbern: EU-Datenbank platzt aus allen Nähten
Im Eurodac-System werden alle Fingerabdrücke von Asylwerbern gespeichert. Nun gelangt die 20 Jahre alte Datenbank an die Grenze ihrer Kapazität – angesichts von sieben Millionen Einträgen und enorm vielen Abfragen der bayerischen Polizei. Doch auf einen Ausbau kann sich die EU seit 2016 nicht einigen.
Die EU-Asyl-Datenbank mit den Fingerabdrücken aller erfassten Asylwerber gelangt an ihre Kapazitätsgrenzen. Bereits Ende 2023 könnte die maximale Auslastung erreicht werden, warnt die Agentur eu-Lisa, die für die Organisation des Zentralsystems zuständig ist.

Mittlerweile sind sieben Millionen Einträge von Fingerabdrücken im System gespeichert. Im Jahr 2021 waren es noch 5,8 Millionen Migranten gewesen, die ihre Fingerabdrücke in der riesigen Datei hinterlassen haben. Im Jahr darauf waren es bereits 6,5 Millionen Menschen. Überdies sind im Vergleich zu 2021 die Abfragen des Systems um 73 Prozent gestiegen.
Zwei Drittel aller Transaktionen in fünf Ländern – darunter Österreich
67 Prozent aller Transaktionen – sprich: Speicherungen und Abfragen im Eurodac-System – erfolgen in Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich und Spanien.

Nun gelangt das System an seine Grenzen. Vor wenigen Jahren waren die Einträge im Zuge des Brexit und dann wegen der Corona-Krise gesunken. Doch in der Zwischenzeit gehen sie wieder steil nach oben. Für eine zusätzliche Erhöhung sorgte der Ukraine-Krieg. Der tägliche Eurodac-Datenverkehr wuchs nach der Ukraine-Invasion von rund 3000 Speicherungen und Abfragen im Jänner auf 5000 im März, und kurzzeitig sogar auf den Spitzenwert von 9500 Transaktionen. Allerdings werden Schutzsuchende aus der Ukraine seit der EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz von Ukrainern im März 2022 nicht mehr in Eurodac als Asylsuchende erfasst.
Vor 20 Jahren ging das System in Betrieb
Angesichts der Flüchtlingskrise schlug die EU-Kommission 2016 Änderungen für Eurodac vor. So sollten auch Kinder ab sechs Jahren ihre Fingerabdrücke abgeben müssen. Darüber hinaus sollten mehr personenbezogenen Daten der Asylwerber gespeichert werden, darunter das Gesichtsbild. Doch die Reform kam in Ermangelung einer Einigung nicht von der Stelle. 2020 folgte ein überarbeiteter Vorschlag, der Eurodac mit vier weiteren EU-Datenbanken zusammenführen sollte. Doch auch die Verhandlungen der EU-Staaten mit dem Parlament über diesen neuen Eurodac-Vorschlag stocken.

Erneuert wurden im vergangenen Jahr immerhin die veraltete Soft- und Hardware. Die Speicherkapazität des Systems soll auf neun Millionen Datensätze erhöht werden. Die „Durchsatzkapazität“ soll auf 24.000 tägliche Transaktionen angehoben werden.
Seit 2015 dürfen auch Polizeibehörden das Eurodac-System zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr – etwa gegen Terrorismus und andere schwere Straftaten – nutzen. Im Jahr 2022 wurden 1491 Abfragen dieser Abfragen registriert, doppelt so viele wie im Jahr zuvor. 98 Prozent (!) dieser Suchläufe stammten von Polizeibehörden aus Deutschland, und davon die meisten wiederum vom bayerischen Landeskriminalamt verantwortlich. Meist handelte es sich um Recherchen zur Aufklärung von ungelösten Tötungsdelikten.

Vor 20 Jahren ging das System in Betrieb
23 Jahre sind vergangen, seit die EU-Staaten die Erstellung der sogenannten Eurodac-Datei beschlossen haben. In ihr sollen alle Fingerabdrücke von Asylwerbern gespeichert werden. Drei Jahre später ging die „Datenbank für Asyl-Daktyloskopie“ in Betrieb. Abseits des EU-Raums sind auch die Schengen-Staaten Norwegen, die Schweiz und Island daran beteiligt.
Wo auch immer Migranten erstmals registriert werden und einen Asylantrag stellen, hinterlassen sie seither ihre Fingerabdrücke. (Zuständig sind gemäß dem Dubliner Übereinkommen eigentlich jene Staaten, in denen die Schutzsuchenden zuerst ankommen, nicht in denen sie als erstes registriert werden. Aber das ist ein eigenes Kapitel.)
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