70 Millionen bestellte Corona-Impfungen: Harte Rechnungshof-Kritik an Rauch und Co.
“Die Umsetzung der Impfstoffbeschaffung hatte Schwächen”, kritisiert der Rechnungshof in einer Sonderprüfung, die auf Verlangen von SPÖ-Nationalratsabgeordneten erfolgte. Es wurde oft einfach drauflos bestellt, ohne nachvollziehbare Grundlage. 7,7-Mal hätte jeder (!) Österreicher sich impfen lassen können.
Das Ziel bei der Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen war: die österreichische Bevölkerung mit Impfstoff zu versorgen und einen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie zu leisten, fasst der Rechnungshof über die Bestellungen der Impfdosen in Österreich zusammen. Auch wenn der RH einräumt, die Impfung hätte geholfen, in der Pandemie Leben zu retten, hält er in seinem Bericht deutlich fest: “Die Umsetzung der Impfstoffbeschaffung hatte allerdings Schwächen”. Der Rechnungshof hält fest, dass die COVID-19- Impfstoffbeschaffung aufgrund des dynamischen Pandemieverlaufs von sich laufend verändernden Rahmenbedingungen begleitet war.
Österreich bestellte mal mehr, mal weniger – ein Konzept scheint gefehlt zu haben
Zu Beginn der Impfstoffbeschaffung ab Juni 2020 fehlten beispielsweise detaillierte Kalkulationen zu den voraussichtlichen Ausgaben. Bei weiteren Beschaffungen existierten zudem unterschiedliche Bedarfsberechnungen ohne dokumentierte nachvollziehbare Grundlage. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2020 und 2021. Im Jahr 2020 verständigten sich die 27 EU-Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen.
Es war dabei möglich, Impfstoffe über und unter dem Bevölkerungsschlüssel zu bestellen. Die konkrete Bestellung führten die einzelnen Mitgliedstaaten – in Österreich das Gesundheitsministerium – eigenständig durch. Dadurch hatten sie einen gewissen Ermessensspielraum insbesondere bei der Bestellmenge.
Gesundheitsministerium rechnete mit 100-prozentiger Durchimpfung der über 12-jährigen Österreicher en
Bis Frühjahr 2021 beschaffte Österreich weniger COVID-19-Impfstoff, als möglich gewesen wäre. Bis zum 30. Juni 2021 bestellte das Gesundheitsministerium verbindlich 24,32 Millionen COVID-19-Impfdosen verschiedener Impfstofftechnologien. Diese Bestellmenge unterschritt die nach Bevölkerungsschlüssel mögliche Bestellmenge um zwölf Prozent. Eine Berechnung des Rechnungshofes zeigt, dass sich die hypothetische Durchimpfungsrate der Bevölkerung erhöht hätte, wenn Österreich gemäß Bevölkerungsschlüssel bestellt hätte. Je nach Berechnungsart hätte sich die Rate zum 30. Juni 2021 bei Erstgeimpften von 53,6 Prozent auf 56,9 Prozent beziehungsweise 56,2 Prozent erhöht.
Ab Oktober 2021 wiederum erfolgten Impfstoffbestellungen über dem Bevölkerungsschlüssel im Ausmaß von 14,65 Millionen Dosen. Den Beschaffungen lagen unterschiedliche Annahmen zugrunde. Es fehlte häufig eine dokumentierte nachvollziehbare Grundlage, etwa in Beschlüssen oder Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums. Beispielsweise ging das Gesundheitsministerium in einer Bedarfsberechnung von einer Durchimpfungsrate von 100 Prozent aller Personen ab zwölf Jahren aus. Auch in Hinblick auf die geplante Impfpflicht etwa wurde im Dezember 2021 auf politischer Ebene vereinbart, vom Impfstoff Novavax „as much as possible“ abzurufen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Haltbarkeit der Impfstoffe begrenzt war.
1,08 Milliarden Euro ausgegeben
Im Juli 2020 betrug der Rahmen für die Gesamtkosten bis zu 200 Millionen Euro. Der Rechnungshof beurteilt kritisch, dass das Gesundheitsministerium keine Kalkulationen zu den voraussichtlichen Ausgaben erstellte, obwohl es über voraussichtliche Preisbänder informiert war.
Der Gesamtkostenrahmen erhöhte sich im Juli 2021 auf bis zu 1,252 Milliarden Euro. Bis Ende Februar 2022 bestellte Österreich rund 70 Millionen COVID-19-Impfdosen. Die voraussichtlichen Ausgaben dafür: 1,085 Milliarden Euro. Das entspricht dem knapp Dreifachen der Impfstoffmenge und dem knapp Vierfachen der Kosten zum 30. Juni 2021. Damals, Ende Juni 2021, wurden rund 24 Millionen Impfdosen um voraussichtlich 287,42 Millionen Euro bestellt. Plausibel ist, dass sich im Verlauf der Pandemie der Erkenntnisstand über die Wirksamkeit der Impfungen laufend veränderte und etwa das Nationale Impfgremium seine Anwendungsempfehlungen laufend dem aktuellen Erkenntnisstand anpasste. Der Rechnungshof empfiehlt, bei Beschaffungsvorhaben von Impfstoffen aktenmäßig dokumentierte Bedarfsberechnungen auf Basis nachvollziehbarer Annahmen zugrunde zu legen.
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